Franz Klammer: "Der Klammer-Style ist nicht so easy"
Der Olympiasieger von 1976 und ein Kärntner, der ihn im Film darstellt: Franz Klammer und Julian Waldner im Interview über den Film "Klammer - Chasing the Line".
26.10.21, 05:00
KURIER: Wie gefällt Ihnen Julian Waldner als Franz Klammer?
Franz Klammer: Super! Die Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, setzt er sehr gut um. Es ist ja nicht so einfach. Daron Rahlves, der als Stuntman auf der Piste unterwegs war, hat gesagt: „The Klammer-Style is not so easy.“ Heute fährt man nicht mehr so, wie ich damals gefahren bin. Aber auch Rahlves hat das sehr gut hingebracht. Ein Sprung ist fast ident mit meinem Sprung beim Olympialauf. Genauso hinaus und die Ski vorn in der Höhe.
Die Kernaussage des Films ist, dass Sie vor dem Lauf sehr gezweifelt haben, aber im richtigen Moment dann plötzlich voll da waren. Wie sehen Sie das nun, nachdem Sie den Film kennen?
Klammer: Es ist ja die ganze Woche nicht so optimal gelaufen. Ich hab die richtige Linie noch nicht gefunden, daher ist der Ttitel „Chasing the Line“ auch gut gewählt. Neben der Piste war auch nicht alles ganz einfach. Da war einmal der Fischer, der unbedingt wollte, dass ich seinen Loch-Ski fahr‘. Und dann das ganze Drumherum. Der einzige Moment, der eigentlich entspannend war, war die Eröffnungszeremonie. Da war ich als Fahnenträger einmal für einen Moment für mich alleine. Der Film zeigt ganz gut die Situation, in der ich war. Diese Zweifel, diese Hoffnung. Und meine Stärke war immer wieder, dass ich es im Endeffekt umsetzen konnte.
Wie haben Sie die Rolle angelegt, weil ja doch viele ein starkes Bild von Franz Klammer im Kopf haben?
Julian Waldner: Es war eine ganz frühe Entscheidung von mir, zu sagen: Ich will keinen Klammer-Ähnlichkeitswettbewerb gewinnen. Meine Aufgabe hab’ ich darin gesehen, den Kern des 22-jährigen Franz Klammer zu erkennen und dann auch zu spielen. Ich hab mir natürlich schon Videos und Fotos von damals angesehen, aber ich wollte nicht wie ein Pantomime alles nachmachen, was der Franz gemacht hat.
Es wurden vorher schon Filmprojekte an Sie herangetragen, aus denen aber nichts geworden ist. Was war hier anders?
Klammer: Ein anderes Projekt hätte mit einer betrunkenen Partie in Tarvis begonnen, wo wir Gustav Thöni im Fernsehen zugeschaut haben. Das ganze Ding war nicht stimmig. Am Drehbuch von Andreas und Elisabeth Schmied hat mich überzeugt, dass sich der Film auf Olympia konzentriert. Das war für mich die wichtigste Woche in meinem Leben. Wir haben gemeinsam daran gearbeitet und sie haben sehr gut recherchiert. Auch Bernhard Russi und Charly Kahr (der damalige ÖSV-Trainer, Anm.) haben sie interviewt und ihre Gefühle mit eingebracht. Deshalb ist die ganze Geschichte sehr authentisch.
Was die Lovestory betrifft, hat sich aber nicht alles so abgespielt.
Klammer: Ja, aber diese Telefonate sind Tatsache. Wir hatten einen geheimen Trick: Ein Postler hat mir verraten, dass man die Null wählen und gleichzeitig abheben muss, dann hatten wir eine freie Leitung im Olympischen Dorf. Ansonsten hätten ich und Eva nicht so lang telefonieren können. (lacht)
Ansonsten haben Sie sich aber vollkommen abgeschottet vor dem Rennen.
Klammer: Ich hab das von Jean-Claude Killy übernommen, der immerhin dreifacher Olympiasieger geworden ist. Die Außenwelt hat’s damals für mich nicht gegeben. Mit den Handys und Social Media, wo man Tag und Nacht hineinschaut, könnt' ich als Sportler nicht umgehen. Das hat es damals Gott sei Dank noch nicht gegeben.
Russi hat im Film einen Auftritt wie ein Rockstar. War er das?
Waldner: Das waren alle Rockstars ...
Klammer: Er war regierender Olympiasieger und einer der Favoriten. Einer, den man einfach ernst nehmen musste, vor dem man vielleicht sogar Angst haben musste. Dem Bernhard hat sein Auftritt im Film jedenfalls gut gefallen. (lacht)
Waldner: Bei der Premiere in Zürich haben die Schweizer geklatscht, als er aufgetreten ist. (beide lachen)
Wie ist der Film beim Zurich Film Festival aufgenommen worden? Haben die Schweizer nachher gesagt: Jetzt hat wieder der Klammer gewonnen …
Klammer: (lacht) Der Bernhard Russi hat eh gesagt: Vielleicht kann man die Geschichte zurückdrehen. Ich hab gesagt: Lieber Bernhard, das wird dir auch im Film nicht gelingen. (lacht)
Waldner: Der Film ist super angekommen. Es ist ja auch kein Österreicher-Film, den man sich nur hier anschauen kann. Da geht’s einfach um junge Menschen, die vor einer Riesenaufgabe stehen. Das begeistert sicher auch international.
Klammer: Dann war da natürlich die Szene, als der Bernhard im Ziel zu mir gekommen ist und mir gratuliert hat. Er schildert das so, dass er unten gesessen ist und eigentlich eine gespaltene Person war. Einerseits wollte er selber gern gewinnen. Andererseits hat er dann die ganze Begeisterung und den Wahnsinn, der in Österreich stattgefunden hat, gesehen. Ihm war klar, dass ich das Rennen eigentlich nicht verlieren darf.. Und dann ist er hergekommen und das war so eine aufrichtige und herzliche Gratulation, das war einfach unglaublich. Wir waren zwar vorher schon befreundet, durch diesen Olympialauf ist aber eine richtige Freundschaft entstanden.
In einer Szene im Film wird quasi das Rennen angehalten und Sie erleben gewisse Dinge in Rückblende. Gibt es solche Momente auch im echten Rennen, wo man an was anderes denkt?
Klammer: In erster Linie denkt man daran, was man im Rennen als nächstes macht, auch wenn man im Flow ist und das schon im Unterbewusstsein drinnen hat. In Kitzbühel zum Beispiel, wenn es flach rausgeht, da hab ich immer im Scherz gesagt: Ich hab mir überlegt, mit wem ich am Abend ausgehe. (lacht) Das stimmt jetzt nicht, aber es gibt schon Passagen, wo du Zeit hast. Andere Passagen, wie der Johannesweg in Innsbruck oder die Mausefalle in Kitzbühel, wenn du die anfährst und wenn du gut drauf bist, kommt dir das wie in Zeitlupe vor.
Na gut, in Innsbruck sind Sie an der Schlüsselstelle Johannesweg auch sehr weit hinaufgefahren ...
Klammer: Ja, Russi hat gemeint, die Linie, die ich gefahren bin, gibt’s eigentlich gar nicht. Aber wenn du schnell bist, in dieser Zone drin bist, kommt dir das eigentlich langsam vor.
Haben Sie vor dem Schlusssprung das Publikum und den Jubel zum ersten Mal richtig wahrgenommen?
Klammer: Bei Passagen, bei denen du dich richtig konzentrieren musst, siehst du da Publikum nicht, man spürt es nur. Aber vor der Zwischenzeit hab ich schon einmal zu den Leuten geschaut, wie die Stimmung ist. Und da hatte ich das Gefühl: Hoppla, da muss ich was unternehmen!
Im Film dauert es eine halbe Ewigkeit, bis die Siegerzeit da ist, es ist auch Sekunden lang ganz leise. Wie haben Sie das erlebt?
Klammer: Ich bin in den Zielauslauf hinaufgefahren und schau so fragend in die Leute hinein. Und auf einmal ist das losgegangen und ich hab anhand der Reaktion der Menschen gewusst, ich gab gewonnen. Das war eine Erleichterung, das kann man sich gar nicht vorstellen.
Herr Waldner, wie haben Sie sich mit Valerie Huber abgestimmt, was die Liebesgeschichte betrifft, die im Film ja sehr wichtig ist?
Waldner: Das sind auch ganz intime Momente und deswegen ist es auch wichtig, dass man eine Spielpartnerin hat, auf die man sich verlassen kann. Das war bei Valerie einfach zu hundert Prozent der Fall. Sie war eine Spielpartnerin, der man vertrauen kann, mit der man auch Schritte weitergehen kann. So wie mit dem gesamten Team. Das war so ein großes gegenseitiges Vertrauen, dass jeder seinen Part erfüllt, dass das plötzlich super funktioniert hat.
Valerie Huber ist ja ausgebildete Skilehrerin. Ihre Frau Eva konnte mit Skifahren eigentlich wenig anfangen. War das für Sie positiv?
Klammer: Mir hat das gefallen, dass sie mit mir gar nichts anfangen konnte als Skifahrer. Es war auch nicht wichtig. Aber wir sind dann viel gemeinsam Skifahren gegangen. Eine begeisterte Skifahrerin ist sie aber nicht.
Der KURIER bei den Dreharbeiten von KLAMMER
Die goldenen Skianzüge haben Sie abgelehnt damals …
Klammer: Ja, die hab ich abgelehnt. Aber weil sie mich gezwickt haben. Ich bin nicht richtig in die Hocke gekommen, daher bin ich wieder mit meinem alten Anzug gefahren. Und außerdem wollte ich nicht mit einem Goldanzug fahren, um Gold zu holen. Das ist mir wie ein schlechtes Omen vorgekommen.
Wie war dieses Treffen mit Pepi Fischer, das im Film auch beschrieben wird?
Klammer: Davor hat mich ja schon die Startnummernverlosung aus dem Konzept gebracht. Ich hab die blöde Nummer 15 gekriegt, die mir gar nicht gefallen hat. Ich wollte die 3 haben. Dann auch noch dieses Treffen, bei dem mich der Fischer wirklich zwingen wollte und gesagt hat: Du musst mit diesem Ski fahren. Da bin ich einfach aufgestanden und hab‘ gesagt: Du kannst mich gern haben, ich geh! Ich hab dieses Meeting sehr verärgert verlassen. Im Endeffekt wär’s mit der Nummer 3 nicht so a gute Geschichte geworden. So gesehen war das auch wieder gut (lacht).
Und mit dem Loch-Ski hätten Sie nicht gewonnen …
Klammer: Genau (lacht). Der Ski wär vielleicht sogar besser gegangen als der, denn ich schon hatte, aber mit dem C4 hab ich vorher alle Rennen gewonnen. Jetzt musst du dir vorstellen: Du stehst am Start bei deinem wichtigsten Rennen und du hast einen Ski, zu dem du kein Vertrauen hast. Du musst bei solchen Dingen ein Vertrauen haben, so wie der Julian vorher gesagt hat. Zu dem anderen Ski hatte ich Vertrauen, ich hab gewusst: Mit dem gewinn' ich das. Ich hab den Loch-Ski aber nicht kategorisch abgelehnt, ich bin dann später eh noch mit dem gefahren, aber in dem Moment war es ein „ill timing“.
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