Will den Ottakringer Bach freilegen: Eva Blimlinger (Grüne)
Am Donnerstag wurde das renovierte Parlamentsgebäude feierlich wiedereröffnet. Nun folgen Tage der offenen Tür. Man wird beim Rundgang – vom Keller bis zum ausgebauten Dach – Erstaunliches entdecken, darunter eine in die Bibliothek integrierte, exzellente Schau über Demokratie und Redefreiheit, die auch den Antisemitismus nicht ausspart. Eva Blimlinger, die Kultursprecherin der Grünen, ist vom Ergebnis überzeugt.
Exzellent: Die ehrwürdige Bibliothek im Parlament beherbergt nun eine Ausstellung über Redefreiheit und Parlamentarismus
KURIER:Es gab einen Aufschrei über die zeitgenössische Kunst und die angeblich intransparente Vorgangsweise. Denn Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hatte die Idee. Ist die Aufregung nachvollziehbar?
Eva Blimlinger: Ich versteh’ die Aufregung um den Präsidenten, aber nicht die um die Kunst. Dass die Skulpturen von Joannis Avramidis und Erwin Wurm nicht vor dem Parlament aufgestellt werden, finde ich ganz in Ordnung. Denn man muss auch das Umfeld einbeziehen. Man sollte also länger darüber diskutieren, was man auf dem Vorplatz hinstellt. Das ist aber nur eine ästhetische, keine grundsätzliche Frage.
Ich verstehe, dass österreichische und in erster Linie arrivierte Künstler ausgewählt wurden. Es ist ja das österreichische Parlament. Aber in Hinblick auf Europa wäre es schon möglich gewesen, über den nationalen Tellerrand zu blicken. Vielleicht kommt es ja noch dazu. Mein Vorschlag wäre – abgesehen von den Wechselausstellungen –, temporär immer eine künstlerische Position aus dem Land zu präsentieren, das den EU-Vorsitz innehat.
Verstehen Sie, warum man die Schriftzüge PARLAMENT und DEMOKRATIE von Heimo Zobernig für den Plenarsaal abgelehnt hat? Sie wurden in den Keller verbannt …
Ganz und gar nicht. Ich hätte mir die Arbeit gewünscht, sie ist wichtig. Man kann sich trefflich über Sobotka ärgern und mit ihm streiten, aber man sollte diesen Konflikt nicht auf dem Rücken der Kunst austragen.
Die Bibliothek wird nun für eine Ausstellung über Demokratie und Parlamentarismus genutzt. Macht man also genau das, was eigentlich das Haus der Geschichte der Republik leisten sollte?
Zum Teil, weil das Haus der Geschichte noch weitere Aufgaben hat. Aber ja, das neue BesucherInnenzentrum und die Ausstellung in der wunderbaren Bibliothek – diese Bereiche gehen fließend ineinander über – sind großartig gelungen. Hier wird Geschichte nicht in einem simplen Narrativ erzählt, sondern mit unterschiedlichen Zugängen und Aspekten. Man geht zielgruppenspezifisch vor, ausgerichtet auf Schulklassen, andererseits aber allgemein. Den Touristen wie der Bevölkerung wird das Wesen der Demokratie sehr anschaulich dargebracht. Und nebenbei werden die Interessierten mit Kunst konfrontiert. Ich hoffe, dass viele Menschen das Angebot annehmen. Sie werden nicht enttäuscht.
Das Gebäude wurde tatsächlich in herausragender Qualität restauriert.
Ich glaube, der Parlamentarismus braucht ein solches Schmuckstück. Wenn ich daran zurückdenke, dass manche das Parlament auf die Donauplatte verlegen wollten. Zum Glück ist es nicht dazu gekommen. Was ich mir noch wünschen würde, wäre eine farbige Fassade – wie von Theophil Hansen vorgesehen. Der Kaiser hat sie leider verhindert. Also: Eine bunte Fassade wäre der absolute Hit.
Wie wird es mit dem Haus der Geschichte weitergehen?
Es bleibt alles, wie es ist.
Als Provisorium mit zu wenig Platz in der Neuen Burg.
Provisorium ist es deshalb keines. Aber ja: Es bräuchte einen Neubau. Und zwar, das ist jedenfalls meine Position, nicht im Zentrum. In Zeiten wie diesen das Geld für ein solches Projekt aufzutreiben, ist jedoch nicht gerade einfach und auch nicht geboten.
Daher bleibt nur das preiswerte Debattieren über den Standort. Den Heldenplatz…
… halte ich für denkausgeschlossen. Er soll endlich, nach dem Abtragen der temporären Parlamentspavillons, ein freier Platz werden. Ohne Autos, ohne Container und vielleicht auch ohne das eine oder andere Denkmal, aber mit viel Grün. Der Heldenplatz ist ja im Sommer eine unerträgliche Hitzeinsel. Ich finde, man könnte zum Beispiel den heutzutage unterirdisch fließenden Ottakringer Bach freilegen und zum Ballhausplatz führen.
Ist es eigentlich grüne Kulturpolitik, Martin Kušej am Burgtheater durch Stefan Bachmann zu ersetzen? Beiden wurde vorgeworfen, toxisch zu agieren.
Bachmann war vielleicht toxisch. Ich hoffe doch, dass er dazugelernt hat. Eine blöde Frage jedenfalls. Sie erwarten nicht im Ernst, dass ich die Entscheidung von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer kritisiere? Wir arbeiten hervorragend zusammen und die Entscheidung ist gut.
Ein Koalitionsvorhaben ist die Kulturstrategie. Verfolgt man das Projekt nicht gar etwas halbherzig?
Stimmt nicht! Durch Corona war es natürlich schwieriger, aber es gab etliche Diskussionsrunden – auch in den Bundesländern. Wir wollten möglichst viele Menschen einbinden. Die Verzögerungen haben auch ihr Positives: Durch Corona ergaben sich neue Fragestellungen. Zum Beispiel: Wie können wir das Publikum zurückgewinnen?
Man gibt immer Corona die Schuld, nie dem Spielplan.
Es stimmt, das beweisen unter anderem die Staatsoper und das Theater im Park, wo Michael Niavarani mit riesigem Erfolg Shakespeare gespielt hat: Es liegt auch am Angebot. Und die Menschen überlegen sich aufgrund der Inflation viel genauer, was sie sich anschauen – und was nicht. Auch das ist Thema der Kulturstrategie.
Die meisten Themen liegen auf der Hand, etwa Fair Pay. Braucht es nicht auch eine Evaluierung? Welche Angebote werden gefördert, welche haben sich überholt?
Sie meinen: Was ist relevant, was nicht? Was kann bleiben, was soll weg? Ja, ein heikles Thema. Siehe Wiener Zeitung: Man will etwas auslaufen lassen – und schon formiert sich Widerstand. Also ja: Eine solche Überprüfung wäre inhaltlich manchmal notwendig und sinnvoll, ist politisch aber schwierig.
Ein anderes Thema, das mir fehlt, ist die Bewahrung des Sprachschatzes, die Pflege der österreichischen Dramatik. An der Burg kann man nicht einmal das Wort „Butzerl“ richtig aussprechen.
Was ist das Problem? Ja, das Ensemble sollte schon ein gepflegtes Wienerisch beherrschen, um zum Beispiel Arthur Schnitzler spielen zu können. Aber das können nicht einmal mehr viele Wiener und Wienerinnen. Ich sehe das gelassen. Und österreichischen Sprachschatz gibt es nicht – „G’scherter“ zum Beispiel ist kein in Vorarlberg gebräuchliches Wort.
Auf Nestroy wird nicht nur in den Bundestheatern, sondern auch im Volkstheater und in der Josefstadt verzichtet. Obwohl sich jeder freut, wenn er einen Nestroy-Preis bekommt.
Da bin ich bei Ihnen: Einen g’scheiten Nestroy müsste man spielen – und die Politik bietet genügend Stoff für Couplets! Wie gut das funktioniert, hat zuletzt Stefanie Reinsperger als Frosch in der Fledermaus in der Volksoper bewiesen. Und sie kann „Butzerl“ aussprechen.
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