Ein allerletztes Adieu: Die Toten aus Kultur und Medien des Jahres 2021
Sie waren Galionsfiguren, Ausnahmebegabungen oder schräge Vögel, haben uns bezaubert, unterhalten, überrascht ... und vor allem: Sie leben in unserer Erinnerung weiter, die Opernsängerinnen Christa Ludwig und Edita Gruberová, die auf der Bühne und im Aufnahmestudio Maßstäbe gesetzt haben, der Tigerdompteur Siegfried Fischbacher und die französische Filmlegende Jean-Paul Belmondo.
Mit Bertrand Tavernier († 79) hat Frankreich einen seiner großen Intellektuellen und einen seiner besten Filmemacher („Der Uhrmacher von St. Paul“) verloren.
Christopher Plummer († 91) war der Baron von Trapp in „Sound of Music“ und ein Gentleman für alle Rollen, der in sieben Jahrzehnten viele Bösewichte und Helden spielte. Und die italienische Filmemacherin Lina Wertmüller († 93), eine Feministin aus Leidenschaft, war die erste Frau, die für einen Regie-Oscar nominiert worden war.
Der US-Regisseur, Bühnenautor und Musiker Melvin Van Peebles († 89), auch „Godfather des modernen schwarzen Kinos“ genannt, gilt als Begründer des „Blaxploitation“-Genres in den 70er-Jahren.
Doch auch viele andere bekannte Gesichter haben dieses Jahr nicht überlebt. Phil Spector, der sich als „Richard Wagner des Pop“ verstand und eine der bizarrsten Figuren der US-Musik- wie auch Kriminalgeschichte war, starb in einem Gefängnis in Kalifornien.
Apropos Musik: Maria Ilva „Milva“ Biolcati, die den Beinamen „La Rossa“ hatte, und Mikis Theodorakis – unter anderem Komponist des Sounds für den Film „Alexis Sorbas“ populär und als griechischer Volksheld unbequem – wurden ebenso betrauert wie Charlie Watts, der stoische Beatverantwortliche der Rolling Stones.
Wobei das sosehr aus dem Takt geratene Jahr 2021 auch für andere Schlagzeuger tödlich endete. Ihre Drumsticks für immer weggelegt haben: Ronnie Tutt, einst Schlagzeuger von Elvis, Graeme Edge von Moody Blues, Franz Trojan von der Spider Murphy Gang. Und Joey Jordison, Mitgründer der Nu-Metal-Band Slipknot und vom Fachblatt „Rhythm“ 2010 zum besten Drummer seiner Generation gewählt, wurde nur 46 Jahre alt.
In Österreich hat uns über viele Jahre die Film- und Burgschauspielerin Gertraud Jesserer inspiriert und berührt, die kurz vor ihrem 78. Geburtstag bei einem Wohnungsbrand ums Leben kam.
Mit Erich Schleyer († 81) sind ganze Generationen an österreichischen Kindern vor dem Fernseher groß geworden und haben unzählige Erwachsene unterhaltsame Theaterabende erlebt.
Eine „Instanz der politischen Aufklärung“ war der Jahrhundertjournalist Hugo Portisch: Der ehemalige KURIER-Chefredakteur, der wie kein anderer für die unabhängige, selbstbewusste und integre Ausübung seiner Profession stand, starb Anfang April mit 94 Jahren.
Den Todesengel malte er als farbenfrohe Erscheinung: Universalkünstler Arik Brauer, Urgestein der Wiener Schule des Phantastischen Realismus und Mitbegründer des Austropop. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte bei der Trauerfeier. „Österreich wird diese Stimme, die so sanft und klar war, vermissen. Und sich dankbar dessen erinnern, was Arik Brauer unserem Land geschenkt hat.“
Friederike Mayröcker, die radikale, freie, große Dichterin, Sprachschöpferin, Sprachformerin, Büchner-Preisträgerin und Frau mit dem „euphorischen Auge“ wurde 96 Jahre alt.
Mit dem Regisseur, Maler und Autor Peter Patzak, vor allem durch die unkonventionelle Kultkrimiserie „Kottan ermittelt“ bekannt, hat Österreich einen Künstler verloren, der wie kaum ein anderer die heimische Film- und Serienlandschaft geprägt hat.
Einer, der die Berge liebte, war Sepp Forcher, der Alpenphilosoph und Moderator von „Klingendes Österreich“.
Und noch einen Publikumsliebling werden seine Fans vermissen: Für den österreichischen Volksmusik-Star und Sänger der Band „Die fidelen Mölltaler“ Ludwig Ladstätter wurde Corona zum Schicksal.
Für Helmut Schmidt schrieb er Reden, publizierte Ulrike Meinhof, und Umberto Eco entging ihm nur knapp: Mit Klaus Wagenbach ist im Dezember ein legendärer Sturkopf und Verleger gestorben.
Ein Querkopf war auch der Publizist Klaus Rainer Röhl († 92), Mitbegründer des linken Politmagazins konkret und Ex-Ehemann der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof.
Alfred Biolek hat das Live-Kochen im TV etabliert und war als Talkmaster ein Pionier des zwanglosen Bildschirmparlando.
Mit streng zurückgelegtem Haar, einer großen Hornbrille und Hosenträgern war er eine Marke, auch ohne Internet eine globale Medienpersönlichkeit: Larry King, der König des TV-Talk auf CNN über die Langstrecke von 1985 bis 2010, starb mit 87 in Los Angeles. Unvergessen auch: Bill Ramsey († 90) durch Ohrwürmer der 50er- und 60er-Jahre wie „Pigalle“ oder „Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe“ oder „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“.
Als Komponist und Texter war Stephen Sondheim ein Gigant des Broadway-Musicals („Sweeney Todd“, „Gypsy“, „Sunday in the Park with George“ u. a.).
Aber auch der Jazz hat heuer eine Reihe prominenter Musiker verloren: Zuerst den Pianisten Chick Corea († 79), der alles – Latin Music, Jazzrock Klassik und die Tradition des Bop – fusionierte, dann den Posaunisten, Kontrabassisten, Sänger und Bandleader Chris Barber († 90), der mit „Ice Cream“ einen Welthit hatte und in England mit Dixieland und Blues dem Rock den Weg ebnete, außerdem den Gitarristen Pat Martino († 77) und den Posaunisten und Bebop-Veteranen Slide Hampton († 89): Er verkündete mit 85 auf der Bühne, „zu alt zum Sterben“ zu sein. Das erwies sich am Ende leider als falsch.
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