Rolling-Stones-Drummer Charlie Watts ist tot: Es war seine Band

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Der Musiker ist 80-jährig in einem Londoner Spital gestorben. Er prägte den Sound der Band. Was wird nun aus der weltgrößten Rockgruppe?

"Mit großer Trauer geben wir den Tod unseres geliebten Charlie Watts bekannt", heißt es in einer Erklärung aus dem Umfeld des Musikers. "Er ist heute im Kreise seiner Familie friedlich in einem Londoner Krankenhaus gestorben." Charlie Watts wurde im Juni 80 Jahre alt.

„Du bist mein verdammter Sänger“

Als Charlie Watts vor wenigen Wochen seine Teilnahme an der bevorstehenden US-Tournee der Rolling Stones wegen einer Notoperation absagte, galt das als unerhört. Die Stones ohne ihren stilprägenden Schlagzeuger – das hatte es seit dem Einstieg von Watts in die Band vor 58 Jahren  nie gegeben. Die Ursache für die Operation wurde nicht genannt. Aber Watts war 2004 bereits wegen Kehlkopfkrebs in Behandlung.

Jagger war vorlaut

Von Charlie Watts ist eine berühmte Anekdote überliefert, die den wunderbaren Musiker und Menschen sehr genau charakterisiert. Amsterdam, Mitte der Achtziger-Jahre. Die Stones, damals eine ziemlich dysfunktionale Familie, hatten ein Bandmeeting abgehalten. Watts war danach, was typisch für ihn  war, schlafen gegangen. Gitarrist Keith Richards war, was typisch für ihn war, noch einen trinken gegangen, und hatte Sänger Mick Jagger mitgenommen.

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Die Rolling Stones, 1965 in London

Im Morgengrauen trafen die beiden wieder im Hotel ein. Jagger, gut aufgelegt, rief bei Watts an (was Richards für keine gute Idee hielt) und rief ins Telefon: „Wo ist mein kleiner Schlagzeuger?“

Watts stand auf, rasierte sich, zog seinen besten Anzug an, traf kurz darauf bei Jagger und Richards ein, packte Jagger am Kragen und sagte: „Nenn mich nie wieder deinen Schlagzeuger – du bist mein verdammter Sänger!“ Dann schlug er ihn mit einem sauberen Kinnhaken k. o.

Richards behauptet in seinen Memoiren, Jagger sei auf einem Tablett mit Räucherlachs gelandet, samt diesem auf ein offenes Fenster zugeschlittert und nur deshalb nicht in eine Gracht gestürzt, weil Richards ihn im letzten Moment am Sakko (das Richards gehörte) zurückhielt.

So war Charlie Watts. Bescheiden, still, höflich, oft ein wenig indigniert von seinem Schlagzeugstuhl aus auf die unterhaltungschemikalisch gut aufgerüstete Rasselbande blickend, die in Wahrheit SEINE Band war. Und gleichzeitig selbstbewusst. Vor einem Konzert der Band in Italien, es muss etwa 15 Jahre her sein, wurde er bei einem „Meet & Greet“ von einem Wichtigtuer nach seiner Visitenkarte gefragt. Charlie hob eine Braue und sagte: „DAS ist meine Visitenkarte!“ – und deutete auf sein Gesicht.

Charlie Watts, 1941 nördlich von London zur Welt gekommen, war gelernter Werbe-Grafiker und Jazzfan. In der Londoner Musikszene hatte er bereits einen guten Namen, als sich Mitte 1962 die Rolling Stones formierten. Ein halbes Jahr später stieß er dazu. Die Stones wurden mit ihrer rüden Interpretation von R’n’B bald zur Antithese der als brav geltenden Beatles und als solche berühmt.

Stolpernder Groove

Watts passte in Wahrheit nicht wirklich dazu: Seine Bandkollegen galten als wandelnde Ruhestörung, er selbst war ganz Gentleman, immer gut gekleidet, außer den Zigaretten jedem Exzess abgeneigt (außer einer kurzen Phase in den Achtzigerjahren, als er plötzlich dem Heroin verfiel - und diese Sucht rasch wieder besiegte). Seine Ehe mit seiner Frau Shirley hielt seit 1964. Aber in Wahrheit machte er die Band erst perfekt: Sein sehr reduziertes Schlagzeugspiel hielt den Sound der Stones zusammen.

Keith Richards gab an der Gitarre den stolpernden Groove vor, Charlie stolperte so elegant mit, dass sich das Ganze nicht nach Stolpern anfühlte, sondern nach Swing. Man höre nur „Honky Tonk Women“ – der mitreißende Groove entstand, weil Charlie bei der Aufnahme falsch einstieg und seinen Fehler einfach stur durchzog.

Ob die Rolling Stones jetzt tatsächlich noch auf Tour gehen, ist unklar. Genau genommen ist die Band ohne Watts undenkbar.

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