Nun die erste Uraufführung: „Egmont“ – ein Stoff, den Johann Wolfgang von Goethe einst als Trauerspiel in fünf Akten auf die Bühne brachte, zu dem Beethoven wiederum eine Schauspielmusik verfasste. Der deutsche Komponist Christian Jost (und sein Librettist Christoph Klimke) aber nehmen die Geschichte rund um den Freiheitskämpfer Egmont, der in dem brutalen Herzog von Alba in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts letztlich seinen Henker findet, nur als Folie.
Als Folie, die dazu dient, um generell über Liebe und Hass, Leben und Tod, Macht und Ohnmacht, Freiheit und Unterdrückung nachzudenken. In schlanken 95 Minuten läuft das Geschehen ab.
Auf nur sechs Personen und einen groß besetzten Chor (exzellent der Arnold Schoenberg Chor) ist dieser „Egmont“ reduziert. Es gibt Egmont, dessen stark aufgewertete Geliebte Clara, Herzog Alba, dessen Handlanger Macchiavell, seinen Sohn Ferdinand und die zwischen den Fronten stehende Margarete von Parma. Nicht nur diese wird sterben müssen . . .
Und das zu höchst suggestiven, zwischen lyrischen Momenten und Dramatik perfekt changierenden, sehr gut gearbeiteten Klängen. Josts Musik kommentiert, schafft oft betörende Klangräume, evoziert Stimmungen, ist hochkomplex, aber in ihrer Sogwirkung ideal hörbar. Klimke hat zu den 15 Szenen (inklusive Zwischenspielen) einen poetischen Text geliefert, der das Metaphysische betont.
Gleiches gilt für die brillante Regie von Keith Warner, der in dem höchst wandelbaren, an Überraschungen reichen Bühnenbild von Ashley Martin-Davis (toll auch die Lichtregie von Wolfgang Göbbel und die Choreografie von Ran Arthur Braun) Sequenzen zwischen Tag und Nacht, Traum und Albtraum, Realität und Fiktion kreiert.
Denn dieser „Egmont“ ist weit mehr als nur die brave Nacherzählung einer Handlung, er spielt mit den humanen und inhumanen Ebenen. (Todes-)Engel und Kraniche, Folter- und Bettszenen – Warner setzt all das ungemein geschmackssicher und hochgradig präzise um. Eine Freude.
Am Pult des fabelhaft einstudierten ORF Radio-Symphonieorchester Wien ist Dirigent Michael Boder der Musik Josts ein ausgezeichneter Anwalt, der alle Nuancen der Partitur zum Klingen bringt.
Und die Sänger? Maria Bengtsson ist eine auch zu höchsten Tönen fähige, intensive Clara, Bo Skovhus ein auch vokal imposant-gefährlicher Alba, Angelika Kirchschlager eine auch im Sprechgesang omnipräsente Margarete und Theresa Kronthaler ein überzeugender Ferdinand. Károly Szemerédy assistiert als Macchiavell sicher; Edgaras Montvidas agiert als Egmont solide. Empfehlung!
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