Der Leihverkehr der Museen ist eingebremst, das Kunst-Jetsetting zu Messen und Biennalen ist erlahmt. Nichtsdestotrotz landete im Dezember eine riesige Skulptur des britischen Kunstmarkt-Stars Damien Hirst im Schweizer Nobelskiort St. Moritz – mithilfe eines Helikopters wurde sie inmitten des dortigen Sees installiert. Die überwucherte Figur eines Mönchs – Teil jener Unterwasser-Serie, mit der Hirst 2017 im Umfeld der Venedig-Biennale Aufsehen erregt hatte – gehört zu einer Ausstellung, die noch bis Ende März im Außenraum, in einer Kirche und in einem aufgelassenen Bad im Engadiner Ort zu sehen ist.
Hirst hat es schon seit Längerem zu seiner Spezialität gemacht, die Regeln des gewöhnlichen Kunstbetriebs zu umfahren. Doch auch andere Player auf jenem Sektor der Kunstwelt, der sich um eine betuchte und scheue Klientel kümmert, haben die Ausweichrouten entdeckt, die oft an die Zweitwohnsitze der globalen Eliten führen.
„Intimere Diskussion“
„Wir sind seit Langem an Orten abseits urbaner Zentren interessiert“, sagt James Koch, geschäftsführender Partner der global agierenden Galerie Hauser & Wirth mit Hauptsitz in Zürich, zum KURIER. „Unsere Galerien an diesen Orten ermöglichen eine intimere Diskussion.“
Hauser & Wirth nutzen seit 2014 Gunter Sachs’ einstiges Chalet in Gstaad sowie einen Raum am dortigen Flughafen als Dependance. Im selben Gebiet steht auch ein voll verspiegeltes Berghaus des Künstlers Doug Aitken; Turner-Preisträger Martin Creed montierte zuletzt den Schriftzug „Everything is going to be alright“ („Alles wird gut“) am Luxushotel „Gstaad Palace“.
Weitere Räume für die „intime Diskussion“ betreiben Hauser & Wirth unter anderem in den Hamptons nahe New York und seit 2018 auch in St. Moritz. „Dieses Modell hat sich als sehr widerständig bewährt“, sagt Koch. „Eine Vielfalt von Standorten zu haben, war im vergangenen Jahr von Vorteil.“
In dieselbe Kerbe schlägt auch Vito Schnabel: Der Sohn des Künstlers und Regisseurs Julian Schnabel gründete seine Galerie in St. Moritz 2015, mittlerweile sind zwei weitere Standorte in New York dazugekommen. Aktuell muss die Schweizer Galerie geschlossen halten, doch man habe zuvor die aktuelle Schau mit Werken von Schnabel senior der vor Ort logierenden Klientel zeigen können, so Vito Schnabel zum KURIER: „Die Situation kehrt sich um – vergangenen Sommer konnten wir Ausstellungen in St. Moritz zeigen, während wir in New York zu hatten.“
Elite und Öffentlichkeit
Der Eindruck, dass die Netzwerke der High-End-Kunstwelt auch angesichts von Lockdowns und pandemiebedingt verschobener Treffpunkte wie der „Art Basel“ hervorragend funktionieren, erhärtet sich. Dennoch tragen einige Protagonisten den Anspruch vor, auch für ein Publikum abseits des Milliardärssektors zugänglich zu sein und neben dem Handel mit hochpreisiger Kunst auch noch dem öffentlichen Interesse zu dienen.
Besonders Hauser & Wirth haben in ihrer 2014 eröffneten Dependance in Somerset im Südwesten Englands eine ambitionierte Vision entwickelt: Dort stellt die Galerie eine Bibliothek und ein umfassendes Kursprogramm für die lokale Bevölkerung und für Schulen zur Verfügung und betreibt Werkstätten und Verkaufsräumlichkeiten für lokale Handwerker. Ein angegliederter Biobauernhof versorgt das hauseigene Restaurant.
Nach demselben Muster entsteht derzeit auf der Baleareninsel Menorca ein weiterer Standort in einem ehemaligen Marinespital, der im Sommer eröffnen soll. „Unsere Kunstzentren bleiben kommerzielle Orte“, sagt Galerie-Partner Koch. „Aber wir versichern, dass breite Publikumsschichten an der Erfahrung teilhaben können.“ Die Reise an die schönen Orte will freilich erst einmal möglich sein.
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