Deutscher Dramaturg Ulrich Lenz wird Intendant der Oper Graz

GRAZER OPERNREDOUTE 2020: FESTSTIEGE
Gebürtiger Schwabe war als Chefdramaturg der Komischen Oper Berlin am Aufstieg des Hauses unter Barrie Kosky beteiligt.

Der Deutsche Dramaturg Ulrich Lenz wird ab der Saison 2023/2024 die Intendanz an der Grazer Oper übernehmen. Nora Schmid, die derzeit die Oper leitet, wird 2023 an die Spitze der Dresdener Semperoper wechseln. Lenz hat sich unter 21 Mitbewerberinnen und Mitbewerbern - zwei davon bewarben sich als Doppelspitze - durchgesetzt. Er arbeitet derzeit als Chefdramaturg und Mitglied des Leitungsteams an der Komischen Oper Berlin.

Bernhard Rinner, Geschäftsführer der Bühnen Graz, sagte am Freitag bei der Präsentation von Ulrich: "Das Wetter bringt zwar trübe Aussichten, aber meine sehr geehrten Damen und Herren, der Lenz ist da." Er sei aus einem umfangreichen Auswahlverfahren hervorgegangen und setzte sich am Ende auf der Shortlist gegen einen anderen Mann und eine Frau durch.

Graue Eminenz

Lenz war über viele Jahre gleichsam die graue Eminenz hinter dem großen Erfolg von Starregisseur Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin, der das verstaubte Haus seit Amtsantritt 2012 zu einer der erfolgreichsten Bühnen des Musiktheaters formte. Nun setzt der Chefdramaturg mit breiter Arbeitserfahrung an verschiedenen Bühnen erstmals zum Sprung in die erste Reihe an.

Dieser Weg an das zweitgrößte heimische Opernhaus scheint für den 51-Jährigen Schwaben, der am 23. Jänner 1970 nahe Stuttgart geboren wurde, durchaus folgerichtig. Schließlich ist das Kulturgeschehen in den österreichischen Bundesländern für Lenz keine Terra incognita, war er doch nach dem Studium der Musik- und Theaterwissenschaft sowie der Kunstgeschichte in München, Berlin und Mailand und erster Berufserfahrung als Dramaturgieassistent in Stuttgart von 1998 bis 2003 Operndramaturg am Landestheater Linz. Noch heute zählt der künftige Grazer Intendant diese Phase zu den beglückendsten und prägendsten Jahren seiner Laufbahn. Und 2019 sowie heuer zeichnete Lenz für die Programmplanung der Silvesterkonzerte der Tiroler Festspiele Erl verantwortlich.

Nach Linz ging es für Lenz aber zunächst einmal zurück in die Heimat, wo er als Operndramaturg ans Nationaltheater Mannheim verpflichtet wurde, allerdings nur bis 2005 verlieb, bevor er 2006 als Chefdramaturg an die Staatsoper Hannover wechselte, die damals - wie einst Linz - von Michael Klügl geführt wurde. Hannover war Lenz dann bis zu seinem Engagement in Berlin treu.

Erste Liga

In der deutschen Hauptstadt stieg Lenz schließlich in die erste Liga seiner Zunft auf, als er mit Beginn der Saison 2012/13 an der Seite von Intendant Barrie Kosky als Chefdramaturg den Aufstieg der Komischen Oper Berlin mitverantwortete. Das Duo zeichnete für die Wiederbelebung der Berliner Operettentradition mit Werken von Emmerich Kálmán und Paul Abraham verantwortlich, schuf mit Projekten wie der mittlerweile weltweit reüssierenden "Zauberflöte" der britischen Theatertruppe "1927" Welthits und verfasste gemeinsam Libretti wie jenes zur 2019 uraufgeführten Lang-Paraphrase "M - eine Stadt sucht einen Mörder" von Moritz Eggert.

Überdies arbeitete Ulrich Lenz mit Kosky auch abseits des Berliner Parketts zusammen, zuletzt etwa als Produktionsdramaturg für die umjubelte "Meistersinger"-Inszenierung in Bayreuth 2018. Zugleich blieb die berufliche Tätigkeit des Dramaturgen nicht auf die Zusammenarbeit mit Kosky beschränkt, der sich kommendes Jahr von der Komischen Oper als Intendant verabschiedet. Lenz sammelte auch Erfahrung in der Zusammenarbeit mit österreichischen Tonsetzern und Komponistinnen wie Olga Neuwirth oder HK Gruber, aber auch mit Regisseuren wie dem designierten Theater-an-der-Wien-Chef Stefan Herheim oder den Jungstars Lydia Steier und Tobias Kratzer.

Daneben tat sich Lenz als Herausgeber hervor und stand hinter Publikationen zu gesellschaftspolitischen Themen (z.B. "Selam Opera! Interkultur im Kulturbetrieb", 2014), zu Genres (z.B. "Kunst der Oberfläche. Operette zwischen Bravour und Banalität", 2015) oder zu einzelnen Werken (z.B. "Aus einem Totenhaus. Leoš Janáčeks letzte Oper", 2011). Für Lehárs "Lustige Witwe" erstellte er eine neue Dialogfassung, für Miloš Vaceks wiederentdeckte Kinderoper "Des Kaisers neue Kleider" besorgte er die deutsche Fassung und gestaltete für Schostakowitschs "Die Nase" eine Neuübersetzung. Graz erscheint da eine neue Etappe auf einem variantenreichen Berufsweg.

Kommentare