Marlene Streeruwitz: "Missbrauch in der Medienbranche? Das habe ich alles schon geschrieben“

Marlene Streeruwitz: "Missbrauch in der Medienbranche? Das habe ich alles schon geschrieben“
Die Schriftstellerin über ihren neuen Roman, Geldnöte, die Causa Teichtmeister und Generationenkonflikte.

Immer im Jetzt, aber am besten schon einen Tag weiter: Marlene Streeruwitz über Aktualität und lebensbegleitende Themen.

KURIER: Ihr neuer Roman ist frappierend aktuell. Wie darf man sich den Arbeitsprozess vorstellen?

Marlene Streeruwitz: Das Buch war schon fast fertig, als die Kriegserklärung kam. Ich musste alles wegwerfen, was ich geschrieben hatte. Es geht mir immer um das Jetzt, wenn nicht schon um einen halben Tag in der Zukunft.

Ihre 20-jährige Protagonistin sagt, sie werde ohnehin nur 40. Hätte sie das auch ohne Krieg gesagt?

So reden die Jungen heute. Durch den Krieg ist das sicher noch schlimmer geworden. Der Krieg bedeutet für uns alle einen Abstieg und eine Bewegungseinschränkung in der Politik. Wir sind in einer sehr schmalen Gasse ohne Ausweg.

Die andere Hauptfigur, Konstanze, Mitte 50, hält sich hingegen tapfer. Zweckoptimismus?

Durch die angehäufte Lebenszeit entsteht ein anderer Standpunkt. Pandemie und Krieg erlebt man mit 20 anders als mit 50. Darum ging es mir auch. Dass diese Generationen (hier Mutter und Tochter, Anm.) zwar miteinander reden, einander aber kaum verstehen.

Die Kommunikation zwischen Mutter und Tochter fällt auch durch die Abnabelung der Tochter schwer.

Es geht in diesem Buch auch um Liebe und darum, dass sie so schwierig ist. Es wird immer übergangen, wie schwierig die Trennung von den Kindern ist. Wenn die Kinder ausziehen, hört man meistens, sei doch froh, jetzt kannst ein Nähzimmer aus dem Kinderzimmer machen. Aber die Trennung von den Kindern ist die schwierigste überhaupt.

Merkmal vieler Ihrer Romane ist, dass die Protagonistin kein Geld hat. Von den „Verführungen“ über „Jessica, 30“ bis zum aktuellen Roman. Sie haben als eine der ersten Autorinnen prekäre Arbeitsverhältnisse in der Kunst- und Medienbranche thematisiert.

Generell verdienen Frauen ihr Geld schwieriger. Im aktuellen Roman geht es um eine Kulturarbeiterin, die mit dem Niedergang des kulturellen Bereichs zu kämpfen hat. In „Jessica, 30“ geht es um sexuellen Missbrauch in der Medienbranche, über den in Österreich niemand schreiben will. In den letzten Jahren habe ich mir oft gedacht: Ich hab das alles schon geschrieben. Als freie Autorin weiß man viel früher, welche Abhängigkeiten bestehen.