Marjane Satrapi: Der gezeichnete Schrecken
Nein, rasend gemütlich war das Leben für Frauen im Iran nie.
Nach der iranischen, eigentlich islamischen Revolution ab 1977 – übrigens von zahlreichen linken Intellektuellen wie den französischen Philosophen Michel Foucault, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir zunächst wohlwollend begrüßt – wurde das Leben für Frauen im Iran vorsichtig ausgedrückt ziemlich eingeschränkt. Schon damals ging es vielen europäischen Aktivisten hauptsächlich darum, den „imperialistischen Westen“ zurückzudrängen. Auf Kosten der Frauen, der sexuellen Minderheiten, der Andersdenkenden, wie sich bald herausstellte. Der aus dem Exil zurückgekehrte Revolutionsführer Ayatollah Khomeini rief sofort nach seiner Machtergreifung zur Zwangsverschleierung der Frauen auf. Simone de Beauvoir sah spätestens da ihren Irrtum ein und protestierte. Jungen Frauen wie Marjane Satrapi half das nichts.
Die iranisch-französische Comiczeichnerin, geboren 1969 in Teheran, ist, wie man in ihrer autobiografischen Graphic Novel „Persepolis“ nachlesen kann, ein aufgewecktes Mädchen, das seinen Leidenschaften Pommes frites und Bruce Lee frönt, als der Schah gestürzt wird. Bald darauf muss sie den als „Symbol der Freiheit“ bezeichneten Schleier tragen. Alles, was dem Teenager Marjane lieb ist – Punk und Heavy-Metal –, wird als „westliche Dekadenz“ verteufelt. Ihre besorgten Eltern schicken die rebellische Tochter zu ihrem Schutz nach Österreich. Später geht sie nach Frankreich, wo sie Comiczeichnerin und Filmemacherin wird.
„Frau, Leben, Freiheit“: Unter diesem Slogan demonstrieren die Iranerinnen heute für ihre Rechte, und so heißt auch der Graphic Novel-Band, in dem Satrapi nun Zeichnerinnen und Zeichner aus dem Iran, aus Europa und Amerika versammelt, die vieles von dem abbilden, was wegen der Zensur nicht aus dem Land dringt.
Die Proteste nach dem Tod der iranischen Studentin Mahsa Amini im September 2022 waren auch in Europa zu hören. Die Sittenpolizei hatte Amini festgenommen und zu Tode geprügelt, weil sie ihr Kopftuch nicht „ordnungsgemäß“ getragen haben soll. Seither gehen die Iranerinnen und Iraner auf die Straße. Doch international ist man heute anderwärtig aufgeregt. Auf den Straßen von Wien, Paris und London wird für allerhand demonstriert, selten allerdings gegen die Zustände im Iran. Unterdessen hat sich die Lage für die Frauen dort nicht gebessert. Das Regime lässt weiter morden und foltern – und die Iranerinnen und Iraner kämpfen weiter.
Über die Facetten dieses Kampfes berichten die hier versammelten, stilistisch sehr unterschiedlichen gezeichneten Erzählungen. Getöteten Demonstranten widmen sich etwa Touka Neyestani und Jean-Pierre Perrin in den Bildern vom „Winter der Hinrichtungen.“ Von vergifteten Schülerinnen berichten Bee und Farid Vahid in kindlichen, umso erschreckenderen Zeichnungen; auch die Bildsprache, mit der Shabnam Adiban die Hymne der Protestbewegung, „Baraye“ von Shervin Hajipour, illustriert hat, wirkt naiv und unterstreicht so das Grauen: In welchem Kinderbuch muss man um ein ganz normales Leben betteln? Aus der Hölle des Evin-Gefängnisses berichten Mana Neyestani und Farid Vahid: Hier war bis vor wenigen Tagen die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh inhaftiert. Weiterhin dort eingesperrt ist Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, sie befindet sich im Hungerstreik.