Brecht-Darsteller Stolzmann: "Kultur ist wie ein erstes Date"

Brecht-Darsteller Stolzmann: "Kultur ist wie ein erstes Date"
Josefstadt-Schauspieler Claudius von Stolzmann über die „Dreigroschenoper“, Spielen vor leerem Haus und seine Liebe zu Wien

Claudius von Stolzmann, 40, spielt in den Kammerspielen der Josefstadt den Mackie Messer in „Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill (Inszenierung: Torsten Fischer). Die Aufführung wird am 25. April in ORF III ausgestrahlt. Das Interview wurde bei einem langen Spaziergang am Donaukanal in Wien geführt.

KURIER: Ist es nicht ein komisches Gefühl, eine Premiere nur fürs Fernsehen zu spielen?

Claudius von Stolzmann: Komisch nicht, es ist ein anderes Gefühl. Am merkwürdigsten ist es, sich nur für die Kamera am Ende zu verbeugen.

Der Kabarettist Lukas Resetarits hat gesagt, beim Spielen vor leerem Haus fehle ihm vor allem die Energie, die aus dem Publikum kommt, mehr als Lachen oder Applaus.

Das kann ich sehr gut nachvollziehen! Vor allem bei komödiantischen Szenen fehlt die Reaktion des Publikums sehr. Man braucht ja die Verbindung zum Publikum, auch, um zu spüren, warum man das überhaupt macht. Wir haben derzeit eher eine Art Labor-Situation.

Die „Dreigroschenoper“ läuft sonst auf großen Bühnen, die Josefstadt zeigt das Stück in den Kammerspielen, das ist ungewöhnlich.

Ja, ich war zuerst auch verblüfft. Aber es ist extrem spannend auf dieser kleinen Bühne. Unser Bühnenbildner Herbert Schäfer hat es geschafft, dass sie trotzdem groß wirkt. Es wird mit Licht gearbeitet, sodass die hintere Wand im Nebel verschwimmt und endlos wirkt.

Man hat den Mackie Messer schon als charmanten Verführer gesehen, aber auch als eiskalten Verbrecher. Wie stellen Sie ihn dar?

Da kann ich eigentlich nur sagen: Kommen und sehen Sie! Gefühlskalt ist er bei uns nicht. Wir konzentrieren uns vor allem auf den Verrat: Er wird ja von allen anderen Figuren verraten, außer von der Lucy. Wir erzählen seinen Niedergang und überraschenden Aufstieg innerhalb dieses Gefüges. Ein tief sitzender Ansporn von ihm ist in dem Satz, den der Rapper

50 Cent geprägt hat, zu finden: Get rich – or die trying.

Das ist eine sehr oft gespielte Figur, ist es schwierig, seine eigene Version zu finden?

Nein, gar nicht. Denn diese Figur hat sehr viel damit zu tun, was der Darsteller mitbringt, was er bereit ist, zu investieren.

Das klingt ja wie ein Traum für einen Schauspieler – eine Rolle, bei der man so viel von sich selber einbringen kann.

Ja. Aber es ist auch eine der anspruchsvollsten Rollen für mich bisher. Weil sie mir so viel abverlangt, so viel Fingerspitzengefühl für die Figur und das übrige Ensemble. Und dann natürlich das Singen! Man muss punktgenau singen, damit der Text auch verstanden wird. Unser Regisseur hat gesagt, dass die Lieder eigentlich keine Lieder sind, sondern ganz normale Texte, die halt zufällig gesungen werden. Man muss eine ganz andere Konzentration aufbringen, mit je! Dem! WORT! Immer das T explodieren lassen!

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