"Axel Spörl erfindet Geschichten schneller als Thomas Brezina“
Am 10. September saßen sich im Saal III des Bezirksgerichts Fünfhaus ein Herr und sein Diener als Gegner vis-á-vis. In die Augen schauten sie sich nie.
Der Anlass wäre eigentlich zu gering, um darüber zu berichten. Doch der Beklagte ist Axel Spörl, der sich eine jüdische Biografie und einen Doktortitel erfunden hatte.
Der Kläger war dessen Chauffeur. Er hätte wohl auch Leibwächter sein können. A., 60 und braun gebrannt, hat die bestpolierte Glatze seit dem Tod von Heinz Werner Schimanko. Früher war er Fleischhauer, später hatte er ein Lokal, ging aber Pleite. Er versuchte sich als Fotograf und IT-Berater, dann wurde er Fahrer. Sechs Jahre lang kutschierte er die israelischen Botschafter in Wien. Dieser Umstand dürfte ihn für Spörl, der sich wiederholt mit der Kippa ablichten ließ, interessant gemacht haben.
Spörl war schon seit längerem Geschäftsführer bei GLS in Ansfelden. Weil sich sein Aufgabenspektrum erweitert hatte, erbat er 2016 vom zweiten Geschäftsführer, seinem Vorgesetzen S., die Erlaubnis, fallweise die Dienste eines Chauffeurs in Anspruch nehmen zu dürfen. Dies wurde ihm auch gestattet.
A. brachte Spörl mit dessen Dienstwagen in der Früh von Wien nach Ansfelden – und am Abend zurück. Doch nicht zweimal im Monat, sondern drei- bis viermal die Woche. Die Mitarbeiter hinterfragten das nicht weiter. Denn Spörl verwies auf die Genehmigung von S., der in den Niederlanden arbeitete. Und A. stellte regelmäßig seine Honorarnoten (300 Euro pro Tag).
Zwischen den beiden ungleichen Männern – Spörl ist ein eher schüchterner Mann – entstand eine Freundschaft: A. erledigte auch Privates für Spörl, er kochte und fotografierte für ihn in dessen Tonstudio „Schmähfabrik“ in der Säulengasse. Er stand ihm mehr oder weniger die ganze Woche zur Verfügung.
Irgendwann überlegte sich A., vom Gemeindebau (Miete: 300 Euro) in eine größere Wohnung mit Loggia (um 800 Euro) zu übersiedeln. Er wollte daher wissen, wie es mit ihm weitergehe. Denn einen Privatkonkurs wollte er nicht noch einmal erleben. Und Spörl hätte zu ihm gesagt, soeben einen neuen Fünfjahresvertrag erhalten zu haben. Es ginge also alles weiter wie bisher. Und A. übersiedelte frohen Mutes. Doch wenige Monate später, im September 2019, passierte Folgenschweres ...
Bei der Befragung durch den bestens gelaunten Richter Ernst Gleichweit – ein geradezu sinnbildlicher Name für einen Mann, der Äquidistanz zu wahren hat – sagte Spörl: „Ich wollte das Dienstverhältnis beenden.“ Als Grund führte er ein Burnout an.
Der Anwalt von A., Philipp Merzo, der mit seinen Koteletten ein wenig an den legendären Petrocelli erinnert, ließ jedoch S. über Zoom zuschalten. Und der Geschäftsführer widersprach Spörls Darstellung vehement. Nein, es hätte keinen neuen Fünfjahresvertrag gegeben. Und zur Kündigung sei es gekommen, weil man bei GLS kurz zuvor entdeckt gehabt hätte, einem Hochstapler aufgesessen zu sein. Der Matrikenauszug der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, von Spörl vorgelegt, hatte sich als Fälschung herausgestellt.
Spörl habe den Betrug eingestanden, so S., und um Milde gebeten. Daher sei es nicht zur Entlassung, sondern zur einvernehmlichen Vertragsauflösung gekommen. Unmittelbar nach dieser Unterredung sei A. vorstellig geworden, der um seine Zukunft bangte. Erst da sei S. bewusst geworden, dass Spörl den Chauffeur nicht zweimal im Monat, wie vereinbart, sondern andauernd in Anspruch genommen hatte.
S. wies an, dem Fahrer 7.500 Euro zu zahlen: „Er hat uns leidgetan, weil er auf die Lügen von unserem ehemaligen Geschäftsführer hereingefallen ist. Damit war die Sache für uns erledigt.“ Zumal Spörl versichert hätte, mit A. eine Lösung zu finden.
Spörl gab dies bei der Befragung durch den Richter auch zu: „Ich wollte ihm helfen. Ich konnte mir vorstellen, ihn privat als Fahrer zu nutzen. Aber es gab keine konkreten Pläne.“ Und er bestritt, dass eine Ausgleichszahlung vereinbart worden wäre.
A. hingegen meinte, dass 25.000 oder zumindest 15.000 Euro ausgemacht gewesen wären. Er rannte fortan dem Geld nach – erfolglos.
Und dann, am 7. April 2020, berichteten die Medien, dass Spörl von Ulrike Lunacek, damals Kulturstaatssekretärin, zum Geschäftsführer der Bundestheater-Servicegesellschaft „Art for Art“ ab Mai berufen wurde. Der arbeitslose Chauffeur witterte Morgenluft. Er schrieb Spörl: „Ich möchte dir zu deinem Job gratulieren. Gleichzeitig darf ich daran erinnern, dass deine Zusage, die du vor S. getätigt hast, mir gegenüber nach wie vor offen ist. Ich gehe davon aus, dass die endgültige Abwicklung dieser Angelegenheit nicht nur in meinem Interesse ist.“
In der Folge soll es, laut A., zwei persönliche Treffen gegeben haben, bei der Spörl die Sache „wie zwei erwachsene Männer“ miteinander besprechen wollte. Doch der ehemalige Dienstgeber hätte immer neue Ausflüchte gefunden.
Spörl bestritt vor Gericht, dass es zu den Treffen gekommen sei. Denn just zu dem Zeitpunkt, zu dem laut A. das eine der beiden Gespräche stattgefunden haben soll, sei er laufen gewesen. Als Alibi präsentierte Spörls Anwalt Reinhard Pröbsting die Daten der RunningApp auf dessen Handy. Doch dieses kann ja – rein theoretisch – in jeder Hosentasche gesteckt haben.
Wie auch immer: Spörl zahlte nicht. Er sagte vor Gericht: „Ich habe falsche Angaben zu meiner Religion und zu meinem Studium gemacht. Das wusste der Herr Kläger. Er hat mich erpresst – und gedroht, die Informationen an die Medien weiterzugeben.“ A. stellte dies sogleich in Abrede. Er habe zwar einen Presseausweis, kenne aber niemanden bei den Medien.
Anzumerken ist, dass nicht A. den Plagiatsjäger Stefan Weber beauftragt hatte, die Dissertation von Spörl einer Prüfung zu unterziehen. Bei GLS kannten viele das Ergebnis. Eben, dass Weber keine Dissertation finden konnte. Weil es – entgegen Spörls Behauptungen im Mai 2020 gegenüber dem KURIER – gar keine gab. Und dass die von ihm bei der Bundestheater-Holding vorgelegte Promotionsurkunde eine Fälschung war, fand erst der KURIER heraus.
So saßen sich vor Gericht zwei Männer gegenüber, die beide Verlierer sind. Der Eine sah betreten auf die Tischplatte. Er, der zierliche Mann mit der Brille, wollte wohl nichts Böses, einfach nur glänzen – als Boss mit Chauffeur, als Diplomingenieur, als Doktor, vielleicht sogar als Pilot.
Und der Andere hatte ihm lange Zeit alles geglaubt. Bis er erkannte: „Axel Spörl erfindet Geschichten schneller als Thomas Brezina.“ Doch auch A. gibt Rätsel auf. Wie kam er an einen Presseausweis? Und warum sucht er sich keine neue Arbeit?
Das Urteil des Richters, der in der Pause unabsichtlich das Zeugentischerl demolierte, ergeht schriftlich.
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