Die als größte Sängerin unserer Tage geltende Sopranistin wirkte in den ersten beiden Akten routiniert, etwas müde in der Stimme und auch nicht sonderlich präzise. Normalerweise braucht Netrebko ja nur den Mund aufzumachen und einen Ton ihrer Wahl ausströmen lassen, und sie schafft es sofort, ihr Publikum zu faszinieren. Das war diesmal nicht der Fall. Zuletzt hatte sie wegen einer Schulter-Operation einige Aufführungen abgesagt, bei ihrer Rückkehr auf die Bühne erlebte man sie definitiv nicht in Bestform.
Nach der Pause jedoch bestach sie bei der Balletteinlage (gespielt wurde die wesentlich längere Version von 1865) als Tänzerin. Barfuß, im Negligé, tanzte sie neben Profis etwa drei Minuten lang sehr engagiert, präzise und gut choreografiert. Auch das hat man so noch nicht auf einer Opernbühne erlebt.
Als wäre sie durch den Tanz wachgerüttelt, sang sie ihre Wahnsinnsarie bezaubernd schön, sehr innig, zart und zerbrechlich. Und das auf einer etwa sechs Meter hohen Brücke tänzelnd, nur durch ein Seil gesichert.
Viel Applaus gab es am Ende für den Dirigenten Riccardo Chailly, der die Genialität der Partitur auslostet und in dunklen Farben, packend und niemals vordergründig auf Schönklang fokussiert realisiert.
Luca Salsi ist ein stimmlich mächtiger Macbeth, der die Brüche und Unsicherheiten dieser Figur auch gut spielt, Ildar Abdrazakov ein famoser Banco und Franceso Meli ein erstklassiger Macduff. Sie alle wurden - ebenso wie der Chor - vom Publikum ebenfalls lautstark gewürdigt.
Ganz im Gegensatz zu Regisseur Davide Livermore, der die Handlung rund um einen Immobilientycoon im Stil von Donald Trump ansiedelt. Seine Interpretation zeigt, wie sehr Macht korrumpiert - auch die vermeintlich Guten. Das Bühnenbild der Architekten von Giò Forma ist exzellent, wandelt sich vermittels Videos und großen Stahlkonstruktionen permanent und bietet spektakuläre Schauerlebnisse.
In Wien hat man Meyer vorgeworfen, viel zu traditionell zu sein. Für Mailand war diese zeitgemäße und gelungene Interpretation offenbar zu modern. Aber was sagt schon eine Premiere aus. Auch in Hinblick auf Anna Netrebko.
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