Der neue Geiger: Alles über Arno

Der neue Geiger: Alles über Arno
Der neue Roman von Arno Geiger gewährt intime Einblicke in sein Leben und Arbeiten als Schriftsteller. Samt Geheimnisenthüllung.

Sollten Ihnen jemals zwei aus einem Altpapiercontainer herausragende Beine begegnet sein, hatten Sie es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit den Mülltrennvorschriften widersprechend entsorgten Spuren eines Mordes zu tun, sondern mit dem Schriftsteller Arno Geiger. Dieser eröffnet seinen neuen, autobiografischen Roman mit der Enthüllung, dass er über Jahrzehnte im Mist zu stierln pflegte, genauer gesagt im Altpapier. Dieses sei sein „Glückliches Geheimnis“, so der Titel. Aus Altpapier-Containern in ganz Wien holte er alte Comics, Briefmarkensammlungen, von Kindern gezeichnete Schatzkarten, Tagebücher, Briefe vieler Unbekannter. Er perfektionierte seine Kurrent-Kompetenz, um sie zu entziffern, denn darin wohnten Leben, wertvoll für die Anfertigung von Romanen. (Die eines Tages auch ins Altpapier wanderten. Einmal fand er eine Ausgabe seines ersten großen Erfolges „Es geht uns gut“. Seine Gefühle dabei waren verständlicherweise gemischt.)

Der neue Geiger: Alles über Arno

Arno Geiger: „Das glückliche Geheimnis.“ Hanser. 237 Seiten. 25,70 €.

KURIER-Wertung: 4 von 5 Sternen

Das Thema Papier zieht sich als roter Faden durch den neunten Roman des Vorarlbergers. Diese Liebeserklärung an das Analoge ist vieles, nur kein gewöhnlicher Roman. Zunächst ist „Das glückliche Geheimnis“ eine Art Werkstattgespräch. Geiger erzählt, wie er sich als Mensch und Schriftsteller definiert (er hält das für untrennbar) und er berichtet von den Mühen des Anfangs, als Mittzwanziger im damals finsteren Wien; wie er um seine Texte, ihre Fertigstellung und Verbreitung rang, auch unter körperlichen Strapazen. Und wie einer immer zu ihm stand: sein Lektor. Die Seitenhiebe auf das Verlagswesen per se sind spannend. Etwa, dass nur wenige an den späteren Riesenerfolg „Es geht uns gut“ glaubten.

Und dann ist da die „Alles über Arno“-Sache. (Die Privatheiten, die Geiger offenbart, rechtfertigen die vertrauliche Anrede, ansonsten ist die Rezensentin nicht per du mit dem Autor.) Geiger berichtet von der Liebe, von deren Glück und Scheitern, auch vom Tod. Manche Schilderung wirkt banal („Ich muss sagen, so eine Krankheit nimmt einen ganz schön her“). Anderswo berühren die privaten Momente, insbesondere jene, die die Eltern betreffen: Wenn der Sohn dem demenzkranken Vater die Hosenträger reicht und dieser auf die Erklärung „Damit du deine Hosen nicht verlierst“ antwortet: „Mir wäre lieber, ich würde meinen Verstand nicht verlieren.“

Schreibend sei er „mehr als Schriftsteller“, rechtfertigt Geiger seine Offenheit. Er sei zugleich Sohn, Lebensgefährte, Bruder, Freund.

Man muss mit Arno Geigers Einstellung dem Beruf Schriftsteller gegenüber nicht einverstanden sein. Sein Plädoyer dafür aber bewegt.