Sie sagten schon 2009 in Ihrer Rede zum Bayerischen Kabarettpreis: „Wir haben keine Ahnung, aber genau das können wir erklären.“ Der Satz beschreibt perfekt das Bild der Corona-Krise in den Medien.
Richtig. Aber auch die Situation der Virologen, Epidemiologen und Zukunftsforscher. Das Lustigste sind die Simulationsforscher. Es ist ja auch eine Götterdämmerung des unbedingten Glaubens an die Wissenschaft. Der kultische Umgang mit Wissenschaft und ihrer Allwissenheit bröckelt jetzt. Und ich merke nicht, dass die Menschen damit ein großes Problem haben im Sinne einer Ernüchterung. Dass es so ist, wussten sie offenbar immer.
Nichtwissen stößt da auf Halbwissen und viele Meinungen – zugleich der Nährboden für abstruse Verschwörungstheorien, eine echte Herausforderung für alle, die faktenorientiert seriös informieren wollen. Wie sehen Sie die fast schon durchchoreografierte Selbstinszenierung der Regierung?
Die „ZiB 1“ war über Wochen eine Verkündigung von 20 Minuten reinsten Dramas. Wie bei einer griechischen Tragödie. Und unterschwellig wurde die Botschaft drunter gemischt: Wir helfen Euch dabei. Wir schaffen das. Wir sind das Nadelöhr zur Wirklichkeit.
Die Opposition war zuerst schmähstad und empörte sich dann über „eine Politik der Angst“. War die Strategie des Angstschürens in diesem Fall notwendig?
Um Angst zu produzieren, braucht es viel Feingefühl und die Fingerfertigkeit eines Marionettenspielers. Denn ein Klima der Angst kann wie in einem repressiven System, Beispiel DDR, zu einer erhöhten Solidarität unter den Leuten führen. Das wäre nur bis zu einem gewissen Grad wünschenswert. Andererseits sollte es genug Angstpotenzial geben, um Vorsicht und Rücksicht entstehen zu lassen, damit das Ganze, wie bei einer Pandemie, nicht aus dem Ruder läuft. Der bloße Appell an die Eigenverantwortung wird da nicht reichen. Wie etwa unser Verhalten im Straßenverkehr eindrucksvoll bestätigt. Wie man sieht: Angst ist offenbar auch eine Kunstform.
Die Regierung wurde für ihre Krisenpolitik heftig kritisiert.
Für die Strategie der Regierung, zumindest anfangs, sprachen ja die schockierenden Bilder aus Italien oder Spanien. Es wäre also ungerecht zu sagen, dass hier nur Hysterie die Triebfeder gewesen wäre.
Corona war auch die Stunde der bisher ungesehenen Helden.
Dass Supermarktangestellte Heldinnen sind, stimmt. Aber wir wussten schon vorher, dass Heldinnen nicht sichtbar sind. Die wirklichen Heroinnen, also jene die uns pflegen, das Essen geben und sich der Gefahr aussetzen, schaffen es nicht in eine Schlagzeile, aber sie verdienen unsere höchste Solidarität. Komisch, dass man sie zunächst höchster Gefahr aussetzte – und nicht sofort an Plexiglasscheiben dachte.
Auf die Pandemie folgt die Wirtschaftskrise. Denn Geld drucken allein wird nicht die Lösung sein. Andererseits steckt eh schon in „Geldschein“ das Wort „Schein“.
Was jetzt verteilt wird, wird irgendwann eingelöst werden müssen. Ich kann nicht beurteilen, ob das alternativlos war. Aber die Folge wird wohl eine Inflation sein. Auf uns kommen sicher ganz schwierige Jahre zu, auch für die Kultur.
Zuerst haben die Grünen bei den Künstlern sichtbar an Lack verloren. Dann forderte Beate Meinl-Reisinger plötzlich 1.000 Euro Grundeinkommen für Künstler. Das ist ...
… eine der populistischen Ideen der NEOS. Die Sozialdemokratie hat ja gar keine Ideen. Aber das ist schon seit der Kanzlerschaft von Viktor Klima so. Da wurde die Erbsünde begangen, dass Kunst nicht mehr ministrabel war. Dann kam eine Reihe von Ahnungslosen ohne Stimme im Ministerrat. Und wir wissen ja, dass die Sozialdemokratie an Kunst und Kultur kaum Interesse hegte – mit wenigen Ausnahmeerscheinungen. Also sollte sich die SPÖ jetzt nicht als die Retterin der Kunst aufspielen. Ein Ministerium für Kunst, Kultur und Bildung müsste wieder her. Das ist eine Frage der Wertschätzung und des Respekts.
Und wie ist die derzeitige mediale Überpräsenz eines Skandalpolitikers wie H. C. Strache zu erklären?
Stellen wir uns einmal naiv: Die mediale Auferstehung Straches verkauft sich gut. Und sie wärmt etwas auf, was viele schon vergessen haben, aber nicht vergessen sollten. Das Ibiza-Video ist schon interessant als ein Sittenbild der gesamten Republik. Also sehen wir es positiv: Ein wieder öffentlich präsenter Strache erinnert die Bevölkerung daran, sich damit zu beschäftigen, welche Verstrebungen an Korruption es in der Gesellschaft gibt.
Themenwechsel: „Le nozze di Figaro“ – Premiere am 12. November im Theater an der Wien – ist Ihr Opernregiedebüt.
Ja. Ich bin mit dem „Figaro“ und der „Zauberflöte“, den Lieblingsopern meiner Eltern, im Gemeindebau aufgewachsen. Das ist die Musik meiner Kindheit. Unter meinen Vorfahren mütterlicherseits gab es viele Musiker. Klassische Geiger. Daher wurde bei uns zu Hause im 23. Bezirk ausschließlich Klassik gespielt. Für mich schließt sich mit dieser Inszenierung ein Kreis. Und dafür bin ich sehr dankbar.
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