60 Jahre Großes Festspielhaus: "Plötzlich war die Stadt ein Theater"
Im Spätsommer des Jahres 1958 rief ihn der Neffe von Clemens Holzmeister an, sagte in breitem Tirolerisch: „Da Moaschta hot gmoant, du schelst nach Soizburg keman, koscht was will!“
Hans Krebitz, damals 23 Jahre jung, kam beim Bau des Großen Festspielhauses ins Planungsteam und erzählt im KURIER-Gespräch: „Holzmeister war neben Max Reinhardt, Arturo Toscanini und Herbert von Karajan einer der großen Gestalter der Salzburger Festspiele, der seine Vision, die ganze Stadt als Festspielort zu präsentieren, stets in seinen Planungen verwirklicht und die Salzburger Festspiele mitgeprägt hat.“
„Jedermann“ 1956
Unvergesslich ist für den heute 85-jährigen Architekten, Maler und Bühnenbildner das Live-Erlebnis der „Jedermann“-Aufführung 1956:
„Noch in der Original-Max-Reinhardt-Inszenierung. Er war ein gewaltiger Schock, als vom Dom, der Franziskanerkirche und der Festung der eindringliche Ruf ,Jedermann’ erschallte. Plötzlich war die Stadt ein einziges Theater. Der Dom hat mitgespielt. Die hatten damals nur einen langen Tisch. Sonst nichts. Und die vier mächtigen Figuren am Dom haben mitgespielt.“
Schon 1933 hatte Holzmeister für Reinhardt in der Felsenreitschule die Fauststadt gebaut, eine Simultanbühne ohne Kulissen mit fixen Bauten für die legendäre Inszenierung von Goethes Faust I.
Der große Coup gelang ihm aber mit dem teilweise in den Mönchsberg hineingebauten Großen Festspielhaus. Schon sehr früh – lange vor dem Planungsauftrag im Sommer 1956 – hatte er dafür möglichst steile Zuschauertribünen ähnlich jenen des antiken Theaters vorgesehen.
„Die Idee kam nicht, wie manche meinen, von Karajan“, so Krebitz. Der Dirigent und Technik-Freak wollte vor allem die modernste bühnentechnische Ausstattung, Beleuchtung und Akustik: „Das hat viel Geld gekostet. Dadurch ist es teuer geworden.“ Aber dass sich die Kosten auf rund 210 Millionen Schilling mehr als verdoppelt hatten, sei zu relativieren. Krebitz: „Die Wiener Stadthalle war am Ende etwa genauso teuer wie das Festspielhaus. Und was ist für Österreich kulturell wertvoller?“
„Ich bin mit Karajan herrlich ausgekommen, wie mit allen schwierigen Menschen. Ich habe ihm erklärt, was wir machen, warum wir es machen, und es gab nie Probleme“, sagt Krebitz und erzählt manche Anekdote.
So erklärten die beiden damals weltbesten Akustiker Karajan lang und breit und überausführlich, was sie vorhaben.
Holz für den Raumklang
Krebitz: „Am Ende sagte Karajan mit schnarrender Stimme zu mir, ich würde nicht sehr glücklich aussehen. Ich sprach mich für Holz als Material für die Raumakustik aus und wollte keine starre Symmetrie. Karajan gab mir recht und war nach den ersten akustischen Proben völlig zufrieden.“
Holzmeister hatte beim eisernen Vorhang an eine Arbeit von Fritz Wotruba gedacht. Aber der kam und wollte im Festspielhaus alles oder nichts gestalten. Worauf Holzmeister antwortete: „Dann lieber Freund, eben nichts.“ So bekam Rudolf Hoflehner den Auftrag.
Salzburg beschäftigte Holzmeister sein Leben lang. Noch mit 90 Jahren hatte er für die Neugestaltung des kleinen Festspielhauses die Idee, die Seitenwände als verschiedenartige Hausfassaden mit Balkonen zu gestalten und mit dem Zuschauerraum eine Art Platzwirkung zu erzielen – ganz im Sinne eines Salzburger Gesamtkonzeptes.
Denn er weigerte sich, das kleine Haus wie ein allgemein übliches Theater, das keinen besonderen Bezug zu Salzburg hat, zu entwerfen.
Aber das Projekt wurde nicht mehr ausgeführt. Holzmeister starb mit 97 Jahren. „14 Tage vorher wollte ich ihn noch besuchen“, so Krebitz, „konnte aber nur mehr mit ihm telefonieren.“
Hans Krebitz, 1935 geboren in St. Veit/ Kärnten, Architekt und Maler, lebt in Baden bei Wien; baute vor 50 Jahren u. a. das Kurzentrum Bad Deutsch Altenburg.
Er hatte die Idee, Oper am Originalschauplatz aufzuführen und entwarf das Bühnenbild für "Aida" in Luxor (1987); seine Pläne einer neuen Oper für Kairo wurden nach dem Mord an Muhammad Anwar as-Sadat im Oktober 1981 nicht verwirklicht
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