Wiener Naschen mit Omega und Maki

Julya Rabinowich über den Naschmarkt: In der Zwischenzeit habe ich viele Lokale zwischen Street Food, Bude und zickigem Luxustempel abgegrast. Aber längere Zeit das Kojiro auf der Wienzeile übersehen.
Julya Rabinowich

Julya Rabinowich

Der Naschmarkt ist seit meinem ersten Jahr nach der Ankunft in den Siebzigern ein Dreh- und Angelpunkt meines Wiener Herumtreibens: als Kind staunend vor den mit Südfrüchten überbordenden Ständen – Bananen, Kiwis, Mangos, bunte Fruchtkörper, deren Namen ich nicht einmal kannte, aufgetürmt zu beeindruckenden Pyramiden der Vielschichtigkeit, eine überfordernde Menge an unbekannter Auswahl. Hier hatte mein Vater die ersten Wiener Freundschaften geschlossen, interessanterweise ohne sich mit bedeutenden Deutschkenntnissen glänzend gezeigt zu haben – im Rückblick muss ich annehmen, dass an ihm offenbar ein begnadeter Pantomime verloren gegangen war. Später, in der frühen Punkphase, gewann der vordere Bereich mit dem Flohmarkt an größerer Bedeutung: Hier traf sich die jugendliche Peergroup, hier tauschten wir uns aus, besprachen Haarfärbetechniken und Liebesangelegenheiten, erwarben oft originelle Kleidungsstücke – und einmal Bettwanzen. Noch ein wenig weitergespult aß ich meine absolut ersten Makis hier, angestiftet von meiner coolen Freundin, die wie ich Kunst studierte und lange feuerrote Dreadlocks zu einem beeindruckenden Beehive getürmt trug. Leicht besorgt tauchte ich das erste Reisröllchen, gefüllt mit rosa rohem Thunfisch, in Sojasauce, kostete – und war ab diesem Moment für immer der japanischen Küche verfallen. In der Zwischenzeit habe ich viele Lokale zwischen Street Food, Bude und zickigem Luxustempel abgegrast. Aber längere Zeit das Kojiro auf der Wienzeile übersehen. Das ist sehr bedauerlich, aber gut korrigierbar. Der Gastgarten ist zwar im Sommer um einiges gemütlicher, aber sogar jetzt kann man draußen sitzen – und wird vom aufmerksamen Personal, dessen Freundlichkeit ins Legendäre driftet, liebevoll mit Decken versorgt. Das Lokal selbst stellt unmissverständlich klar, dass es hier nicht um Äußerlichkeiten geht: Die Einrichtung ist beinahe als asketisches Laisser-faire zu bezeichnen. Hier geht es um die Speisen, nicht um ihre Inszenierung im Drumherum. Die Speisekarte ist klassisch – aber durchsetzt mit Schmankerln, die mir bis dahin nicht bekannt waren. Neben den healthy Dons mit Reis, garniert mit Gemüse oder Fleisch oder Fisch gibt es da beispielsweise als Vorspeise die Gomatare-no Wan-Tan mit Lauch. Diese sind hausgemacht, delikat und überraschend, da sie sich mit den üblichen Einheits-Wan-Tan nicht wirklich vergleichen lassen: Sie schmecken deftig, fleischig und die Sauce beinahe nussig mit angenehmer leichter Schärfe. Das Tempura mit Gemüse oder auch mit Garnelen erfüllt alles, was man so an Tempura-Anforderungen stellt: knusprig aber luftig herausgebacken, zart im Biss, begleitet von der leicht säuerlichen Sauce (die ich im Alleingang schlürfe, wenn keiner zusieht). Für Ramenliebhaber findet sich hier auch einiges: Goma-Miso-Ramen mit Faschiertem und Sesampaste, aber es gibt auch viel Gemüsiges. Für die weitere gesundheitliche Versorgung bieten sich auch Omega 3-Maki an: mit Avocado, Lachs, Tofu, Lachskaviar, Teriyakisauce und Sesam. Es steht doch irgendwo geschrieben: A Maki a day keeps the doctor away!

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