Über den Tellerrand: O du fröhliche Wurschtigkeit

Über die Gewohnheit, die ganze Adventzeit hindurch Weihnachtslieder zu summen und sich dabei an fremde Orte zu träumen.
Axel Halbhuber

Axel Halbhuber

Betrachtet man scheinbar unbedeutende Kleinigkeiten unter der Lupe des Alltags, entwickeln sie eine bezaubernde Größe. Oft erkennt man dann, dass das Leben gar nicht aus großen Teilen zusammengesetzt ist, sondern aus diesen winzigen Mosaiksteinchen, die durch den Kleber des eigenen Daseins verbunden ein großes Gesamtbild ergeben. Und sieht dann an sich selbst, dass man eigentlich die Summe dieser Petitessen ist: der eigenen Leidenschaften, der eigenen Spleens, der sonderlichen Gewohnheiten und lieb gewonnen Eigenarten. Ich zum Beispiel summe und singe die ganze Adventzeit hindurch Weihnachtslieder.

Diese Zeit kommt jemandem sehr gelegen, der einen so undifferenzierten und Saumagen-haften Musikgeschmack hat wie ich (in anderen Worten: keinen). Im restlichen, nichtadventlichen Jahr sind die Momente, wenn ich bewusst Musik hören will, stets überfordernd. Ich überlege mir, was soll ich hören; verwerfe aber das, was ich immer höre; denke mir, hör mal was Neues, erweitere deinen Hörizont; drehe aber nach zwei Minuten Avantgarde-Jazz wieder ab; suche was Neues und lande meistens bei Beethoven. Nie befriedigend.

In der Adventzeit ist es einfach, irgendeine Sammlung wie „best christmas hits“ oder „Coverversionen der beliebtesten Weihnachtslieder“ ist immer in Griffweite. Ein paar Wochen erträgt man das ständige Wham- und Bing Crosby-Gejeier. Und kann sich – das ist eine der schönen Eigenschaften dieses Genres – da und dort in dieser eher reisefreien Zeit an fremde Orte träumen: bei Deck the Halls in englische Herrenhäuser, bei Feliz Navidad in irgendein spanischsprachiges Land, bei Rudolph auf den Nordpol, bei Mele Kalikimaka nach Hawaii und bei Maria durch ... in irgendeinen Dornwald.

Unser Kolumnenautor Wolfgang Kralicek beherrscht es perfekt, unbedeutende Kleinigkeiten unter der Lupe zu betrachten, von der Zwiebel bis zum Kaffeehaus. Heute erscheint sein „Kralicek geht essen“ zum letzten Mal in „Meine Welt“, ab Samstag gibt es dann „Café Kralicek“ an anderer Stelle im KURIER. Wir danken mit tiefer Verbeugung für 96 köstliche Stücke, immer garniert mit viel Schmunzeln und für eine wunderbare Zusammenarbeit. Danke!

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