Paaradox: So ein Mist!

Paaradox: So ein Mist!
Worüber er sich echauffieren kann und sie dafür nur ein Kopfschütteln übrig hat. Und – umgekehrt: Worüber sie sich aufregt und ihm dafür jegliches Verständnis fehlt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Wer sich ein bisserl umschaut und hinspürt, wird feststellen: Es gäbe sehr, sehr viel, worüber sich Homo sapiens ausufernd aufregen könnte. Der Mann gegenüber tut hingegen so, als wäre das global beherrschende Thema in allen Medien und sämtlichen Köpfen folgender Umstand: Dass Menschen Unpassendes generell und Kartons im ungefalteten Urzustand (von ihm wütend "uU“ genannt) speziell in der Papiertonne entsorgen. 

Schurken

Nun, ich finde die Schrullen des Herrn Hufnagl besonders liebreizend. Dass er beispielsweise nie ohne Feuchttücher frühstückt, weil doch Honig an seine Künstlerhände geraten und diese verkleben könnten. Pfuh. Dass er mit Hilfe von vier elektronischen Geräten gleichzeitig Fußball, Tennis, Golf und Gummistiefelweitwurf schaut, weil das gerade so spannend ist und es, wie eh immer, um echt alles geht. Nur dass er stundenlang über Altpapier-Schurken schimpfen kann, empfinde ich als  etwas anstrengend.

Es hat ungesunde Züge, wenn mein Kartonage-Terminator entschlossen-wütend in unserem Mistraum auf nicht adäquat zerlegte Schachteln eintritt, damit sie Format entwickeln und in den Container passen. Unlängst wäre er bei seinem Engagement beinahe in eine Papiertonne gepurzelt – beim Versuch, von dort ein verirrtes Zellophansackerl (Format 10 x 10 Zentimeter) zu fischen, weil: Frechheit! Welcher Trottel hat das da hineingetan? Dann zückt er die Handykamera, um diesen Irrsinn zu dokumentieren und formuliert im Geiste philosophische Vortragsreihen mit dem Titel "Was unser Umgang mit Altpapier mit Selbstfürsorge zu tun hat“.

Großartig, irgendjemand muss das alles  tun, insofern ist er mein Robin Hood des Recyclings. Doch auch Helden können Fehler passieren. Und so war ich es, die unlängst sein honigverschmiertes Feuchttuch aus dem Papiermist fischte und adäquat entsorgte. Kein Wunder: Ich durfte jahrelang vom Besten lernen.     

gabriele.kuhn/facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Einer der beliebtesten Sätze von Menschen lautet ja: "Deine Sorgen hätt’ ich gern!“. So, als gäbe es ein für alle geltendes exakt definiertes Sorgen-Ranking, dem zu Folge man sich z. B. über Platz 7 (Atommüll) sehr echauffieren darf, währenddessen Platz 181 (Nichtblinken) eher gelassen hingenommen werden sollte. Als ob es nicht möglich wäre, beides nachdenklich zu betrachten, im weiten Feld der Fragwürdigkeit – ein Multi-Asking sozusagen.

Meine Frau jedenfalls ist eine Spezialistin im Wegrelativieren kleiner Ärgernisse. Wenn ich also einen lebhaften Vortrag zum Thema "Der Egoist und sein Mist“ halte und anhand eines riesigen Kartons, der unzerlegt die halbe Tonne beansprucht, ein philosophisches Bild unserer Gesellschaft zeichne, sagt sie: Jössas, es soll dir nix Schlimmeres passieren. Was genau das Schlimmere ist, führt sie jedoch nicht näher aus.

Ungezählte Mühen 

Daher kann ich diesbezüglich nur Vermutungen anstellen. Schlimmer ist es fix, wenn die Malzkaffee-Dose leer ist, die Ohrenstöpsel unauffindbar sind, die Schnecke ein Salatblatt weggeknabbert hat, der Handy-Akku nur mehr 5 Prozent hat, die letzte Folge der Lieblingsserie vorbei ist, die Tochter das Gießen vergisst, der Ehemann die Post nicht öffnet, der Hund Rindenmulch in die Wohnung schleppt  – um nur sieben von 183 möglichen Horrorszenarien zu dokumentieren. Dann richtet gnä Kuhn ihren Blick zum Himmel und ruft: Das darf doch bitte alles nicht wahr sein!

Und ich überlege, ob ich ihr mit einem Palmenblatt Luft zufächere, sie mit Trauben füttere und den großen Tragödiendichter Euripides zitiere: "In ungezählten Mühen wächst das Schöne.“ Stattdessen frage ich nur, worin sich meine Karton-Krise von ihrer Malzkaffee-Misere unterscheidet. Und sie antwortet schlagfertig: Durch alles, du Pappnase. Diesen Wortwitz lasse ich unkommentiert. Weil ich im Allgemeinen großherzig bin, und im Speziellen erst recht: Alles Liebe zum Muttertag! 

facebook.com/michael.hufnagl9

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