Paaradox: Schwachsinn!

Paaradox: Schwachsinn!
Um sich im Urlaub zu entspannen, müsse man sich auch langweilen, sagen Psychologen. Sie meint allerdings, man müsse mehr reden.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Wenn die Sonne im Urlaub schon recht tief steht und der Wein im Glas schimmert, führen wir manchmal sehr absurde Was wäre, wenn…?-Gespräche. Warum? Vermutlich, weil uns ein bisserl fad ist. Und weil wir ein bisserl blöd sind. Aber auch, weil wir gerne herumfantasieren, wie Kinder. Diesmal fing ich an – und es klang sehr fundamental: „Schatzi, was wäre, würden wir uns scheiden lassen? Wer würde dann den Hund bekommen? Weil, irgendwo hab’ ich gelesen, wenn sich zwei trennen, bekommt die Frau die Kinder und der Mann das Kindermädchen ...“

Spintisieren

Dem Mann nebenan blieb beinahe das soeben zerbissene Salznüsschen im Hals stecken: „Bitte, wie kommst du auf so einen Schwachsinn? Reden wir jetzt tatsächlich von armen Scheidungshunden? Wir haben Urlaub, es ist wunderschön, gibt’s echt nix Besseres in deinem Was-wäre-wenn-Portefeuille? Außerdem ist unser Hundesitter männlich.“ Stimmt. Ich dachte nach und schlug sofort weitere Spintisier-Varianten vor: „Was wäre, würde ich den Michi-Hufnagl-Erinnerungspokal, den du als Trostpreis für den letzten Platz beim Schnurspringen im Jahr 1979 bekommen hast, im Sondermüll entsorgen?“ Oder: „Was wäre deine Lieblingsspeise mit Zucchini und Melanzani, würdest zu Zucchini und Melanzani nicht hassen?“ Sowie: „Was wäre, würde Fußball aussterben?“ Weiter kam ich allerdings nicht, denn schon bald sprach er sehr laut: „Was wäre, würdest du endlich einmal gar nix sagen und der Sonne ergriffen beim Untergehen zuschauen?“ Das tat ich dann auch – dabei fiel mir ein, was mir die gute, alte Tante Luise seinerzeit mit zittriger Hand zur Hochzeit geschrieben hat: „Zu einer glücklichen Ehe gehören drei: ein Mann, eine Frau und ein Fernsehapparat.“ Ach, Tanterl.

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

ErEs ist länger her, da beobachteten wir in unserem Stammbeisl am Nebentisch ein Paar, das ein Menü lang kein Wort sprach. Lediglich für die Bestellung wurde ein winziger Wortschatz aus dem Inneren der Seele gehoben. Ansonsten saßen sie und er einander gegenüber und starrten in ihre Smartphones. Meine Frau sagte damals zu mir: „Wenn es bei uns so weit sein sollte, dass wir nix mehr reden … dann müssen wir reden.“ Seither warte ich immer artig darauf, dass sie „nur kurz aufs WC“ geht, damit ich im Handy rasch die Sportergebnisse checken kann. Ansonsten aber gilt das eheliche Dialog-Dogma.
ExistentialismusEs ist nur so, dass ich an manchen Abenden – speziell an Stränden oder auf Bergen – mitunter nichts dagegen habe, schweigend in die Ferne zu blicken. Wohl wissend, dass es nur eine Frage von Sekunden sein kann, ehe die Liebste anhebt: „Naja, du warst auch schon gesprächiger.“  Oder gleich auf den Umweg der wenig subtilen Aufforderung zum Gedankenaustausch verzichtet, um direkt zu erläutern, was wir sonst nie erläutern. Ich glaube ja, dass wir das aus gutem Grund tun. Aber im Urlaub dringt gnä Kuhn nun einmal mit Vorliebe in besondere Tiefen vor. Und während ich kurz darüber nachdenke, warum Barça den Meistertitel verpasst hat, konfrontiert sie mich plötzlich mit der Geisteswelt von Simone de Beauvoir und spricht: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“. Effektvolle Pause. Dann der Nachsatz: „Was macht so ein Zitat mit dir?“ Meine Antwort („Geh’ Schatzi, bitte!“) fällt dann allerdings um den Hauch zu wenig existentialistisch aus, um die wohltuende Existenz der Stille wiederherzustellen. Folglich bleibt mir nur die Flucht nach vorne: „Sogar das Schweigen ist sinnvoll, wenn die Augen sprechen.“ Sie: „Meint wer?“ Ich: „Albert Camus.“ Dann sagt sie nur „Hm“. Und das ist für mich wie ein kleiner Sieg.  

michael.hufnag / facebook.com/michael.hufnagl9 

NEUE TERMINE: 8. 10. Stadtgalerie Mödling; 16. 10. Stalltheater Königstetten; 24. 10. Rabenhof; 6.11. Hagenbrunn; 14.11. St. Pölten; 19. 11. Langenlois

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