Paaradox: Machtspiele

Paaradox: Machtspiele
Über Ignoranz, Großzügigkeit und Freiheit. Sowie die Frage, wer bestimmt, wo es im gemeinsamen Domizil langgeht.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

SIE

Na gut, dann gestatte ich  ihm die Rolle als potenter Kärchermeister, Sonnenkönig unseres Geschirrspüler-Reichs und Speiseplan-Napoleon, mit ausgeprägtem Schnitzi-Drall. Zumal ich gelesen habe, wie sehr Macht zum Liebesglück beiträgt. Kluge Köpfe haben in einer neuen Studie herausgefunden, dass „das Gefühl, Entscheidungen, in der Ehe bestimmen zu können, einen entscheidenden Einfluss auf die erlebte Qualität der Beziehung hat.“ Dabei zählt das subjektiv erlebte Empfinden, bestimmen und „frei“ handeln zu können. Das wird der Mann nebenan sehr gerne lesen und mir vermutlich gleich den innovativen „6+1“-Freihandelsdeal vorschlagen: Sechs Nächte schlummert er glücklich und  zufrieden an der Seite seiner „Lebensliebe“ (wie er es gerne nennt), eine Nacht verbringt er als hedonistisch orientierter Juhu im Irgendwo.

Sorry, Mann nebenan!

Hätte er gerne. Wird’s aber nicht spielen. Sorry, du da drüben. So bleibt es dann wohl auch beim  „Mächtlein“, der Minimundus-Version von Macht, created and powered by gnä Kuhn.  (Einschub: Ob davon der Begriff Gemächt kommt? Wurscht.) Jedenfalls geht es dabei darum, den Ehealltag so zu gestalten, dass er sich in der Rolle des  „Bestimmers“ fühlen kann. Ein Begriff, den unsere Tochter mit fünf Jahren erfunden hat, um damit auszudrücken, dass ihr Wille zu geschehen  habe. Ihr Satz Ich bin die Bestimmerin! fiel gefühlt 1000 Mal. Also vermittle ich ihm das subtile Gefühl von Großzügigkeit, als hätte er viele Hektar  Bestimmer-Freiraum –  das aber in von mir raffiniert definierten Bereichen. Da kann er sich von mir aus gerne als tonangebender Obercooly darstellen, indem er für Selfies mit Kärcher posiert und Heldenepen postet, für die er vor allem weiblichen Applaus bekommt. Gegönnt! Weil nur ich es bin, die weiß, dass er zwar Westernfilme liebt, aber Angst vor Pferden hat.  

Hört rein in unseren Podcast „Schatzi, geht’s noch?“ auf kurier.at und allen Podcast-Apps

Auftritte:   23. 7., Mank; 10. 10., 1. 11., Rabenhof Wien

E-mail: gabriele.kuhn@kurier.at Facebook: GabrieleKuhn60

ER

Unlängst betrat  ich das Badezimmer, wo meine Frau  zwei Zentimeter vom Spiegel entfernt an ihren Augen herumwerkte, und fragte: „Bist du bald fertig, dass ich herkann?“ Ihre Antwort gestaltete sich ohne Worte, ohne Mimik, ohne Gestik. Sondern einfach so, als wäre ich mit meinem räumlichen Anspruch gar nicht anwesend. Aber nach so vielen Ehejahren bin ich in Anbetracht dieser Ignoranz nicht beleidigt, sondern weiß nur: Nein, sie ist nicht bald fertig. Also ging ich zur Zeitüberbrückung noch mit dem Hund, las ein Buch und suchte Belege für die Steuer.

Völliges Chaos

Erst danach kehrte ich zurück und zog ein Handtuch aus dem Stoß hervor. Und da war sie wieder! Als hätte es gnä Kuhn antizipiert, stand sie plötzlich in der Tür und sagte: Na geh, du machst das schirch. Was sie damit meinte, erschloss sich mir erst einige Sekunden später, als sie theatralisch ächzend dafür sorgte, dass die Handtücher wieder bündig übereinander liegen. Ich sagte nur: „Jössas!“ Und sie erwiderte ernsthaft: Ich will nicht wegen dir im völligen Chaos versinken. Nun könnte man darüber diskutieren, ob ein Handtuch, das auf einem Stapel ein anderes Handtuch um 3,7 Zentimeter überragt, ein Indiz für völliges Chaos darstellt – aber sinnvoller ist Gelassenheit. Danach folgten Hinweise, die Duschwand abzuziehen, die Zahnpastatube zu verschließen und die Socken wegzuräumen, was beweist: Ein zehnminütiger Badezimmer-Besuch reicht, um die wahre Bestimmerin zu orten. Da kann es schon passieren, dass die Liebste Fluchttendenzen in Worte gießt und stöhnt: Wenn ich mich über die Häuser haue, würdest du schön schauen. Womit sie nicht meine emotionale Verfassung meint, sondern lediglich die Überzeugung, dass nur ihre ordnenden Kraft meinen Sturz in den Abgrund verhindert. Das sind die Augenblicke, wo ich allfällige Vorzüge von Freiheitsgefühlen nicht näher erörtere. Und lieber Medikamente, Gewürze oder Lebensratgeber sortiere. Zum Trotz. Und aus Liebe.

E-mail: michael.hufnagl@kurier.at Facebook: michael.hufnagl.9

 

Kommentare