Paaradox: Fixsterne
SIE
„Der Mann ändert eher das Antlitz der Erde als seine Gewohnheiten“, sagte die italienische Schauspielerin Eleonora Duse. Lange her, immer noch aktuell, lautet dazu mein Gedanke mit Seeblick. Da sind sie also wieder, meine Fixsterne am Urlaubshimmel. Etwa das beharrliche Knarzen der verschlissenen Gummi-Flip-Flops des Mannes nebenan, wenn er versucht, seine Sonnenliege in ein Schattenbett zu verwandeln. Was nicht ohne Fluchen (weil die Liege sperrig und schwer ist) und flirrenden Blick auf den Kompass des Smartphones geht (weil er sich nur so den Lauf der Sonne für die nächsten drei Lesestunden bildlich vorstellen kann). Das dauert und zieht auch andere anwesende Sommerfrischler in Mitleidenschaft. Wenn ich dann frage, warum er nicht einfach einen Sonnenschirm aufspannt, schaut er komisch und sagt: Musst du immer die Oberg’scheite raushängen lassen? Nicht zwingend, aber, sagen wir so: Ich mag’s.
Zisch!
Nächster Fixstern: das Zischen des Biers, wenn er ächzend auf die Holzbank plumpst, weil er zweieinhalb Kilometer zu Fuß gegangen ist – aus seiner Sicht sinnlos ziellos, weil ohne Balli vor der Schnauze (wie etwa beim Golf, beim Tennis oder Fußball, was das Bewegen erst so richtig sinnvoll macht). Urlaubs-Fixstern Nummer 3: sein wirres Herumirren mit Blick auf Google Maps auf seinem Smartphone, weil er wieder einmal überzeugt davon ist, die beste Abkürzung gefunden zu haben. Die uns auch heuer eine Stunde über den glühenden Asphalt einer munter befahrenen Bundesstraße führt. Aber Hauptsache, wir haben uns sieben Minuten Waldweg erspart. Entspannt wie ich inzwischen jedoch bin, sehe ich das alles sehr gelassen und mein Glas halb voll. Weil das Gewohnte auch manch Schönes birgt – wie sein Gut geschlafen, Süße? jeden Tag in der Früh, seit 23 Jahren – auch in den Ferien.
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Auftritte: 10. 10., 1. 11., Rabenhof; 20. 11. Klosterneuburg
E-mail: gabriele.kuhn@kurier.at Facebook: GabrieleKuhn60
ER
Es ist stets aufs Neue erstaunlich, wie es meine Frau schafft, mich als Gewohnheitstier darzustellen, das in seinem selbst erschaffenen Käfig grundsätzlich gereizt auf Essen, Trinken und Streicheleinheiten wartet. Als wäre es nicht sie selbst, die nachweislich das strenge Urlaubscredo pflegt: Ich brauche keine Rituale. Ausgenommen jenes, dass ich viele Dinge verlässlich immer wieder mache. Wie zum Beispiel (und das ist echt nur ein kurz gehaltener Auszug):
Brrrrr!
- Autofenster wegen des lauernden Zugluft-Teufels nur öffnen, wenn es an Grenz- oder Mautstationen von verständnislosen Uniformierten mit bösen Blicken verlangt wird.
- In der Bahn (und bitte nur dort) jene Zeitungen lesen, die garantiert so großformatig sind, dass auch ich als Sitznachbar zum Seitenschnuppern gezwungen werde.
- Am Flughafen (egal, ob am Start- oder am Landeort) fragen: Wo sind die Pässe? Wo müss’ma hin? Wo ist ein Klo?
- Beim Einchecken im Hotel mit spontanem Aufschrecken erkennen, dass sie etwas sehr, sehr Wichtiges daheim vergessen hat (Ladekabel, Bodylotion, Ohrstöpsel, …).
- Nach Betreten des Zimmers noch vor der ersten Begutachtung die Klimaanlage suchen und augenblicklich auf null stellen.
- Die Zehen ins Meer oder in den See halten und feststellen Brrrrr, kalt – einerlei, ob das Wasser 18, 23 oder 28 Grad hat.
- Sonnenaufgangsselfie machen (einmal), Sonnenuntergangsselfie machen (täglich).
- Geduldig warten, bis ich mich eingerichtet, eingeschmiert und die erste Buchseite vor Augen habe, und dann fragen: Gemma schwimmen?
- Beim Strandspaziergang alle fünfzig Meter Jö, Schau! rufen (Wellen, Schiffe, Muscheln, die wir alle noch nie zuvor gesehen haben).
- An jedem Ort (!!!) am Ende feststellen: Hier könnte ich mir vorstellen zu leben. Alfred Polgar schrieb: „Die Gewohnheiten sind die Fingerabdrücke des Charakters.“
Na dann, sofort zehn Handibussis für gnä Kuhn. Und einen schönen Sommer uns allen!
E-mail: michael.hufnagl@kurier.at Facebook: michael.hufnagl.9
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