Paaradox: Fehlerkultur

Paaradox: Fehlerkultur
Wenn zwei Journalisten miteinander verheiratet sind, gilt das Motto: Schreiben ist Silber, einander korrigieren ist Gold.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Wie gut, dass es Datingportale gibt: Sie helfen zwar nicht, den Schmusebären des Jahrtausends zu finden, bereichern unser Leben aber mit Umfragen. Erst unlängst ging es um Liebe und Job, mit der bahnbrechenden Erkenntnis, dass der Mensch gerne am Arbeitsplatz turtelt. Oh ja. Manchmal wird daraus was Ernstes, wie bei uns, deren Liebesgeschichte sich vom Kuss bei der Weihnachtsfeier bis zum heutigen Kalt ist, feucht ist – gehst eh du mit’m Hund? spannt.

Eins zwei, drei: Sprachpolizei!

Nun, der Mann nebenan und ich werden oft gefragt, wie es ist, in der gleichen Branche zu arbeiten. Darauf gibt es nur eine einzige Antwort: Es ist wunderbar. Wunderbar, einen Sprachpolizisten an seiner Seite zu wissen, der mich verlässlich, seit 23 Jahren also, aufmerksam macht, dass es der Knödel heißt und nicht das Knödel. Oder morgens, noch vor dem ersten Bissen Butterbrot, über die Kunst professioneller Korrektur als Königsweg zum formvollendeten Text dozieren kann, wie andere über das blöde Maiwetter. Durchaus fanatische Züge hat jedoch sein Monolog zum Thema Steigerungen, die es nicht gibt. Ein Ritt über den Wörter-See. Daher bekomme ich stets Herzrasen, wenn mir in verbal schwacher Stunde ein zur vollsten Zufriedenheit herausrutscht und er schreit: Voller als voll geht nicht, merk dir das endlich! Aber natürlich gibt es auch romantische Momente in einer Journalistenehe. Zum Beispiel, wenn wir einander Texte zum Gegenlesen schicken und ich mir sicher sein kann, dass er zarte Korrekturen meinerseits mit akutem Liebesentzug gleichsetzt, wo doch der Meister vom Himmel direkt in meine Arme gefallen ist. Umgekehrt muss ich mich stets auf seinen Stilkorrektur-Tsunami einstellen, der signalisiert: Auch wenn du eine der meistgelesensten Kolumnen dieser Zeitung schreibst, im Zweifelsfall fragst mich! (Finde den Fehler, Schatzi.)

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

Termine: Bettfedernfabrik; 23. 7., Mank; 10. 10., 1. 11., Rabenhof Wien

Er

Dass sich meine Frau auf Dating-Portalen herumtreibt, soll an dieser Stelle nicht näher kommentiert werden. Als Autorin von Sex in der Freizeit im Samstag-Magazin des  Kurier kann sie meinem Hüsteln stets entgegnen: Recherche, Schatzi, alles nur Recherche. Ob sie dabei auch den einen oder anderen Seitenblick auf die Profile von „Honigbär1“ oder „Strammer Strolchi“ riskiert, fällt in die Kategorie „Jo mei“. Als Journalist, der so lange mit einer Journalistin verheiratet ist, hat man auf deren lapidare Feststellung, dass ein gelegentliches Checken der Partnerbörsen-Kurse doch bitteschön das Naheliegendste sei, eben nur eine Antwort: „Ich finde ja die Steigerung liegend, liegender am liegendsten äußerst sonderbar und würde daher das Nächstliegende bevorzugen.“

Bla. Bla. Bla.

Dann lässt die Liebste gerne ihr weises Haupt auf die Tischplatte plumpsen und murmelt etwas wie: Eh, Herr Gscheit! Ehe sie mich mit funkelnden Augen daran erinnert, dass sie einst in einem meiner Texte ein „das“ geortet hat, wo ein „dass“ hingehört hätte. Meinen Versuch einer  ausufernden Erklärung, wie es zu diesem unverzeihlichen Faux Pas kommen konnte, erstickt sie schon im Keim und feixt nur: Ja. Ja. Ja. Bla. Bla. Bla. Das. Das. Das. Ein guter Freund sagte unlängst, als das Thema auf das beliebte Ehespiel „Ha! Erwischt!“ kam, einfach nur: „Na, ihr müsst es ja echt lustig haben.“ Und dann: „Aber wer sich liebt, der neckt sich.“ Worauf gnä Kuhn und ich beinahe im Chor sagten: „Genau genommen müsste es ja heißen, wer einander liebt.“ So romantisch. Wer hätte einst bei der Weihnachtsfeier ahnen können, dass ich irgendwann einmal beim Abendessen sitzen und sagen würde: „Oh là là, dieses Risotto ist in keinster Weise zu verachten.“ Und zwar nur, um sie zu testen. Und wenn sie dann sagt: In keiner Weise heißt das. Kein, keiner, am keinsten gibt’s nicht, tja, dann möchte ich sie so leidenschaftlich umarmen, dass sogar Honigbär1 rot werden würde. 

michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9

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