Paaradox: Autsch!
SIE
Vor ein paar Tagen, da witzelte ich noch herum und stellte dem Mann nebenan sein nächstes Geburtstagsgeschenk dezent in Aussicht: „Du, die Brigitte hat ihrem Liebsten ein naturbeiges Lammfellchen gekauft, wegen der Nieren und dem depperten Ischias, wäre das nicht auch etwas für dich und deinen hochsensiblen Bewegungsapparat?“ Mehr brauchte ich nicht. Sie kennen solche Momente – Augenblicke, in denen man von seinem Gegenüber plötzlich betrachtet wird als wäre man ihm gänzlich fremd geworden. Oder ein Monster mit fünf schwarzen Zungen und blutunterlaufenen Augen, das bei jedem Wort Galle spuckt. Lamm-Spuck-Fell-Spuck!
War doch nur ein Scherz
Genau so sah er mich an – und schon brach es aus ihm heraus: „Bist du eigentlich des Irrsinns? Schau mal auf meine Geburtsurkunde, ich bin frisch wie eine Bachforelle. Die hat kein Fell nötig.“ Da nahm ich seine Hand und sprach nur wenige, beruhigende Worte: „Das weiß ich doch, liebste Bachforelle. War doch nur ein Scherz.“ Worauf er etwas von „schlechtem Versuch eines Scherzes“ brummte und sich – leicht beleidigt – mit einem Achtel Weißwein in den Garten zurückzog. Da saß er, arbeitete sich geistig an einem schweren Sudoku ab und merkte dabei gar nicht, dass sich eine nördliche Höhenströmung in Gestalt einer frischen Brise bei uns breitgemacht hatte.
Einfacher formuliert: mein Fischlein wurde vom kalten Winde umweht. Gar nicht gut. Denn nachts hörte ich ihn plötzlich im Vorzimmer ächzen und herumfummeln. Ich fragte, was los sei und, ob er was brauche. Schmerztabletten, meinte er, sowie, eher leise: „Und ein Thermophor wäre auch super.“ Der Ischias – und der Wind, das himmlische Kind. Am nächsten Tag schlurfte er theatralisch gebeugt durch die Wohnung, ein paar Momente später hörte ich ihn telefonieren. Mit Brigittes Liebsten, dem Lammfellbesitzer. Vermutlich war’s ein Gespräch zwischen richtigen Männern. Die kennen bekanntlich keinen Schmerz.
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ER
Und so sprach ich zu meiner Frau: „Dass ich mir bei der Veltliner-Verkostung den Rücken derartig verkühlt habe, muss niemand wissen.“ Sie antwortete mit verräterisch geschürzten Lippen: Ach, und warum? Ich erklärte ihr, dass ich mir Witze übers Älterwerden gerne ersparen würde, und dass so ein ungewöhnliches Ereignis fix nicht geeignet sei, eine Art heldenhafte Unverwundbarkeit infrage zu stellen. Sie sagte: Verstehe ich gut. Und schrieb eine Kolumne. Womit ich der Möglichkeit beraubt werde, die Ursache für das Zwicken ein bisserl zu schönen. Ich kann also nicht behaupten, dass ich beim akrobatischen Akt des Sockenanziehens aussehe wie ein greiser Clown, weil ich die Liebste bei der Überquerung eines reißendes Flusses getragen habe. Nicht erzählen, dass das Bücken zum Geschirrspülerausräumen nur deshalb zum Grimassen-Theater auf der großen Schmerzbühne wird, weil ich im Sturm aufs Dach geklettert bin, um die Satellitenschüssel zu reparieren – damit gnä Kuhn das Staffel-Finale von „Der Bergdoktor“ sehen kann.
Gnä Medizinalrätin
Nein. Ich musste ihre fundierte Diagnose (Ui, da hast einen Zug derwischt) abnicken. Und, was noch schlimmer ist: Mein Weh versetzte sie in ihre Lieblingsrolle der Medizinalrätin. Die alles weiß. Die fast lustvoll in unserer gigantischen Hausapotheke wühlt, als wäre sie zu den Goldreserven der Nationalbank vorgedrungen. Und deren fürsorgliche Ideen keine Grenzen kennen. Aber wehe, ich fühle mich durch den Vorschlag Du solltest ein Kirschkernkissen verwenden in meiner männlichen Ehre gekränkt – schon wird sie dramatisch: Dann mach’, was du willst, aber jammer’ mich nicht an. Das Problem an meiner Blessur: Die Beeinträchtigung meines Wirbelwind-Radius macht mich abhängig. Und so blieb mir nur der Tauschhandel: Sie geht mit dem Hund, ich verwende dafür das Kirschendings. Sie lächelt und sagt: Stolz ist überbewertet. Ich lächle und verziehe mich auf ein Achterl im Freien. Justament.
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