Paaradox: Alles in Ordnung?

Paaradox: Alles in Ordnung?
Mitunter genügt der Blick in den Innenraum eines Autos, um Gedanken zum gemeinsamen Leben zu entwickeln.

SIE

Ich muss mein Auto saugen: Ein Satz, den der Mann nebenan oft formuliert und mir Hoffnung im Kampf gegen meine Stauballergie gibt. Doch erst vorige Woche zeichnete ich ihm mit den Fingern ein Herzerl auf seine Mittelkonsole. Das allein ist es nicht. Würde ich das Stil-Leben seines Pkws nett skizzieren, wäre von einem Wohn-Wagen die Rede, in dem alles zu finden ist, was wir zum Überleben brauchen: etwas zum Essen (vertrockneter Kornspitz im vertrockneten Sackerl), zum Trinken (alte Wasserflasche), zum Zudecken (stinkige Hundedecke), zum Gehen (alte Tennisschuhe), zur Körperpflege (Reste eines grausam duftenden Duschgels), zum Anziehen (Altkleidersack, u. a. mit Babysachen der mittlerweile 21-Jährigen).

Kübel auf Rädern

Er ist also perfekt gerüstet, um im Auto hausen zu können. Böse gesagt, handelt es sich um einen Abfallkübel auf Rädern, der seiner nicht würdig ist. Dann steigt er smart geschniegelt ein, um irgendein Festl anzusteuern. Würde aber in diesem Drehmoment ein Psychologe den Innenraum seines Pkws inspizieren, könnte er nie erraten, wem das Mistauto gehört: Doch nicht dem Mann mit dem glänzenden Aussehen! Aber wie immer, wenn wir über solche „Banalitäten“ streiten, schleudert mir der Hufi ein deppertes Zitat (von Henry Ford) in meinen Empörungsmonolog: Ein vernünftiges Auto soll seinen Besitzer überallhin transportieren, außer auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten. Gut, dann wird’s wohl weiterhin so sein, dass Menschen, die er spontan mitnehmen möchte, sehr lange warten müssen, bis sie Platz nehmen können. Weil es dauern kann, bis er alle Altlasten im Kofferraum versteckt hat. Nun fällt auch mir ein Autospruch ein (von Charles Aznavour): Eine Frau muss schweigen können. Eine Ehe ohne Schweigen ist wie ein Auto ohne Bremsen. Ich sag’ also nix, sondern male was sehr Ordinäres in seinen Staub.

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Auftritte: 1. 11., Rabenhof ; 20. 11., Klosterneuburg

E-mail: gabriele.kuhn@kurier.at Facebook: GabrieleKuhn60

ER

Ich habe in  honorigen Männerrunden tatsächlich schon öfter mit der Erzählung verblüfft, dass ich mein Auto als Nutzfahrzeug betrachte. Und nicht als verlängertes Ego auf vier Rädern. Der permanente Mittransport von Schuhen, Schirm oder Tennisschläger ist demnach kein Ausdruck von Verwahrlosung, sondern simpler Pragmatismus. Und wenn ich alle paar Wochen einmal Solettisackerln, Hundekekse und vor allem (benützte) Taschentücher entsorge, dann handelt es sich dabei – jetzt kommt’s – um Relikte der Beifahrerin.  Den größten Anteil am expressionistischen Pkw-Stillleben hat also gnä Kuhn, die in ihrem Text zu meiner Linken quasi die Nase über sich selbst rümpft. So schaut’s nämlich aus!

Seelenwohl

Und wie so oft fällt mir mein Vater ein, der sich einst einmal unser Auto ausgeborgt hatte und mit den Worten zurückbrachte: „Burli, ich hab’ mir gestattet, dir eine Innenreinigung für  deinen Schweindl-Express  zu spendieren.“ Diese Anekdote schenkte ich meiner Frau, und prompt landeten wir in einer Diskussion zum Thema Lebensdisziplin. Ihr diesbezüglicher (stets oberlehrerinnenhaft vorgetragener) Lieblingssatz lautet: In einem aufgeräumten Zimmer ist auch die Seele aufgeräumt. Wo sie diese Weisheit gelesen hat, weiß sie  – wie meistens – nimmer.

Aber das ist ja wurscht, sagt sie dann. Darüber nachzudenken, lohnt sich auf jeden Fall. Ich hingegen kann meinen Robert Musil jederzeit aus dem Ärmel schütteln,  der festhielt: „Vollkommene Ordnung wäre sozusagen der Ruin alles Fortschritts und Vergnügens.“ Und ich rufe ihr sogleich den eigenen Arbeitsplatz in Erinnerung. Wo das Potpourri aus Schüsseln, Gläsern, Tassen   jeden Tastatur-Zugriff zu einer akrobatischen Herausforderung werden  lässt.  Die Liebste nennt das gerne  ein ordentliches Chaos. Und ich finde, diese Formulierung beschreibt unser paaradoxes Leben verdammt gut.  

Solo-Programm „Abend mit einem Mannsbild“: 30. 10. Bad Fischau, letzter Auftritt 21. 11. Wien CasaNova (Matinee)

E-mail: michael.hufnagl@kurier.at Facebook: michael.hufnagl.9

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