Flaschenpost: Warum der Wein-Fetisch Rebsorte ein Unfug ist

Riesling soll nach Pfirsich duften und ein Chardonnay nach exotischen Früchten schmecken. Woher kommen all die Aromen?
Christina  Fieber

Christina Fieber

Spricht man gemeinhin von einem guten Wein, lobt man gerne seine Rebsortentypizität. Hinter dem gespreizten Wort verbirgt sich die nicht minder gespreizte Idee, dass ein Gewächs nur etwas taugt, wenn es für die jeweilige Sorte scheinbar typische Aromen aufweist.

Da soll Riesling nach Pfirsich duften, Cabernet Sauvignon Cassis-Noten besitzen und ein Chardonnay gar nach exotischen Früchten schmecken. Man fragt sich, woher all die Aromen eigentlich kommen. Dass sie einzig und allein von Mutter Natur gegeben sind und ein genialer Winzer es versteht, sie den Trauben zu entlocken, kann getrost in den Bereich von Mythen und Sagen verwiesen werden.

Geschmack entsteht durch Hefen und Enzyme

Freilich gibt es Rebsorten wie Traminer oder Sauvignon blanc, die markante Noten aufweisen – häufiger entstehen die sortentypischen Aromen jedoch am Reißbrett: Einschlägige Getränketechnologie-Firmen bieten zuhauf Aromahefen und -enzyme an, die ein geschmackliches Schlaraffenland versprechen: Da gibt es Reinzuchthefen für die Pinot Noir typischen Walderdbeernoten samt Finesse, für würzig-pfeffrige Veltliner-Aromen oder ganz allgemein für den individuellen Weißweinstil mit sortentypischem Charakter.

Sie zu verwenden ist legal und nicht gesundheitsgefährdend, aber auch nicht wahnsinnig transparent. Vielleicht sollte man endlich aufhören, den Menschen weiszumachen, dass Sortentypizität, die ohnehin häufig erst im Keller entsteht, zwangsläufig mit Qualität zu tun hat. Dann kann man sich die chirurgischen Eingriffe auch sparen.

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

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