Fabelhafte Welt der Vea Kaiser: Der Pfarrer unter dem Rauschebart

Krampus und Weihnachtsmann: Es war das Rätselhafte, Mysteriöse, das uns in den Neunzigern dazu brachte, brav zu sein.

Advent in meiner 90er-Jahre-Kindheit war vor allem eines: Detektiv-Arbeit. Etliches galt es aufzuklären! An welchen Tagen beinhaltete der Adventkalender Süßigkeiten, an welchen lediglich Mandarinen und Aschanti? Wo waren die Weihnachtsgeschenke versteckt und was befand sich in der Verpackung? Den Nikolaus zu enttarnen, stellte keine große Herausforderung dar. Durch geschicktes Profiling hatten wir sofort ermittelt, dass sich der Pfarrer unter dem Rauschebart verbarg. Wasserdichte Alibis konnte er für den 6.12. auch nie vorweisen. Doch am 5.12. stießen wir Nachwuchs-Kriminalisten an unsere Grenzen.

An diesem Abend zog nämlich der Krampus umher, ein höchst mysteriöser Geselle. Er umschlich die Häuser und stapfte durch die Gärten, rasselte mit schweren Ketten, grölte garstig und klopfte mit seiner Rute an die Fenster. Aus der Deckung hinter dem Sofa observierten wir das schauderliche Treiben, doch weder unser Mickey-Mouse-Detektivset noch die Tom-Turbo-Nachtsichtbrille verrieten uns des Krampus’ wahre Identität.

Fratzen

Durch die Verhörtechnik der Zeugenmanipulation, indem wir so taten, als fürchteten wir uns, verrieten zwar die Erwachsenen, dass sich hinter jenen Fratzen bloß Dorfjugendliche befanden. Doch Fingerabdrücke konnten wir mit unserem Knickerbocker-Stempelkissen keine nehmen, denn so nah wagten wir uns nie an die Krampusse heran – ein guter Detektiv agiert schließlich aus dem Hinterhalt.

"Aus der Deckung hinter dem Sofa observierten wir das schauderliche Treiben, doch weder unser Mickey-Mouse-Detektivset noch die Tom-Turbo-Nachtsichtbrille verrieten uns des Krampus’ wahre Identität."

Wir hätten das zwar niemals zugegeben: Doch der Krampus flößte uns Respekt ein. Es war das Rätselhafte, Mysteriöse, das uns dazu brachte, sicherheitshalber bis Weihnachten brav zu sein. Ein bisschen eigentlich wie das Virus: Man weiß ungefähr, was es ist, sollte aber dennoch zur Sicherheit drinnen bleiben. Und Hand aufs Herz: Niemand von uns ist je zu alt, um nicht gern zu Weihnachten fürs Bravsein belohnt zu werden.

vea.kaiser@kurier.at

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