Eine politische Betrachtung des Liptauers – und wie es der Aufstrich nach London schaffte

Eine politische Betrachtung des Liptauers – und wie es der Aufstrich nach London schaffte
Ihr Kolumnist vermarktet seine Rezepte nun international.
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Ihr Kolumnist vermarktet seine Rezepte nun international. Über Umwege fragte eine britische Journalistin um sein Liptauer-Rezept an. Er fühlte sich geehrt. Sie sei mehrmals in Wien gewesen, ließ sie ausrichten, und am besten hätten ihr „Liptauer und Hitlers Lieblingskaffeehaus“ gefallen. Der Kolumnist verspürte nun eher ein Gefühl der Irritation. Mit Hitler will er gar nichts zu tun haben, eigentlich auch nicht mit seinem Kaffeehaus. Er begann zu googeln, ob Liptauer ähnlich historisch belastet sei wie etwa Eiernockerl. Angeblich, sagt das Internet, hatte der Führer einst eine Affäre mit einer gewissen Susie Liptauer. Parallelen zum Aufstrich können aber ausgeschlossen werden.

Also begann der Kolumnist, sein Rezept zu übersetzen. Bereits am Topfen drohte alles zu scheitern. Diesen gebe es in London wohl nicht, so die Vermutung. Falsch. In ausgewählten Geschäften wird er verkauft, ergaben Recherchen. Dass er den Namen Quark trägt, mag Sie irritieren, den Briten ist es sicher egal. Für die Basis verrührt man also 250 g Topfen mit 75 g aufgeschlagener Butter und 50 g Sauerrahm. (Auch diesen findet man auf der Insel kaum, das Cambridge Dictionary schlug Sour Cream vor. Zur Not passt das. Dass alles noch besser mit Brimsen schmeckt, unterschlug der Kolumnist mangels Übersetzung gänzlich.) Es folgen roter Paprika, 1 Frühlingszwiebel, 8 Cornichons und 1 EL Kapern – sie werden allesamt fein gehackt. Zusammen mit 2 EL Paprikapulver, 1 EL Tomatenmark, 1 Messer- spitze Currypulver, 2 Msp Kümmel, etwas Muskat, Petersilie und 2 EL Senf werden sie unter die Masse gerührt. Abgeschmeckt wird mit Salz, Pfeffer und – very british! – mit drei Spritzern Worcestershiresauce.

Übrigens: Der Liptauer, erzählte die Holocaust-Überlebende und geniale Literaturwissenschafterin Ruth Klüger einst im Interview, sei für sie die schönste Kindheitserinnerung. Ihre Pflegeschwester, mit der sie auf dem Todesmarsch nach Bergen-Belsen den Nazis entkam, habe den besten zubereitet, eine „kulinarische Kostbarkeit“. Ein Aufstrich als Symbol gegen das unaussprechliche Grauen? So schmeckt er noch besser.

Kommentare