Sexismus im US-Wahlkampf: Frauenhass ist eine ansteckende Gefahr

Sexismus im US-Wahlkampf: Frauenhass ist eine ansteckende Gefahr
Bei der US-Wahl setzt Donald Trump auch auf sexistische Attacken gegen Kamala Harris. Wieso mir ein Trump-Sieg Angst macht und der Uterus eine politische Rolle spielt.
Diana Dauer

Diana Dauer

Am kommenden Dienstag, den 5. November, finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Dann entscheiden Wähler*innen zwischen einem tatsächlich alten (78 Jahre), weißen Mann, Donald Trump und Kamala Harris (60), einer Schwarzen Frau mit indischen Wurzeln. 

Zum Zeitpunkt, in dem diese Zeilen verfasst werden, wenige Tage vor der Wahl, liegt die demokratische Kandidatin und amtierende Vize-Präsidentin Kamala Harris nur 0,2 Prozentpunkte vor dem Republikaner und Ex-Präsidenten Trump. Ihr Geschlecht, ihre Hautfarbe sollten keine Rolle spielen (Trumps im Übrigen auch nicht). Tun es aber. 

Zumindest aus rechtspopulistischer, trumpistischer Perspektive der bedrohten weißen Männer, deren (un-)heimliche Hymne "It's a man's, man's man's World" (James Brown) ist. Die machen die Herkunft und das Frausein der Gegnerin immer wieder zum Thema. 

Trump, der Urheber der fast melodischen Widerwärtigkeit "Grab'em by the Pussy" und seine Buddys laufen in diesem Wahlkampf wieder zu misogynen (und rassistischen) Hochleistungen auf. Und Trump begeistert Umfragen zufolge damit nahezu die Hälfte der Wähler*innen oder schreckt sie zumindest nicht ab. 

Sexistische Angriffe

Das hat unterschiedliche Gründe und Harris' Frausein ist freilich nicht die einzige Motivation aller Pro-Trumpisten. Aber wie dreist Trump auf plumpe sexistische und rassistische Diffamierungen setzt, ist für mich trotzdem (immer noch) erschreckend. 

Trump und sein Team bezeichnen Harris als "lazy" ein bekanntes rassistisches Motiv gegen Afroamerikaner*innen. Harris wird auch als "dumb" und "crazy" bezeichnet; ihr wird offen unterstellt, sie hätte sich in ihrer Karriere "hochgeschlafen".

Trump-Anhänger bezeichnen Harris als "Hoe" (Englisch für Hure), tragen sogar T-Shirts mit der Aufschrift. Grundsätzlich scheint das Huren-Bild vor und auf Trumps Wahlkampf-Bühne beliebt. So hat etwa auch der befreundete Geschäftsmann Grant Cardone bei der Trump-Wahl-Rallye in New York die Zuschauer*innen gewarnt: Harris "and her pimp handlers will destroy our country". (Harris und ihre Zuhälter werden unser Land zerstören") 

'Childless Catladies' aller Länder, vereinigt euch

Mein absoluter Lieblingsangriff (- und auch kommunikativer Fehlgriff) stammt von Trumps Vize-Kandidaten J.D. Vance. (Vance musste sich nach einem Shitstorm dafür entschuldigen.) Der selbst ernannte Hillbilly verpasst Harris den Kosenamen "Childless catlady". Harris nämlich, die zwar zweifache Stiefmutter ist, aber keines dieser Kinder in ihrem Uterus produziert hat, sei deshalb auch nicht für das Präsidentschaftsamt geeignet, weil sie keine biologischen Kinder hat. Ergo sei ihr auch die Zukunft des Landes egal.  

Ihre Kinderlosigkeit – und die sich daraus kausal-ergebende unterstellte Katzenliebe (ziemlich dreist, immerhin könnte sie auch eine Hunde-Person sein, oder?) – heißt in dieser chauvinistischen Weltsicht, dass sie nichts zur Zukunft des Landes beiträgt, weil sie keinen Nachwuchs geboren hat.

Dabei muss ich als kinderlose (aber katzenlose) Lady fast wieder lachen. Wenn man Vance' Maßstab für politische Entscheidungskompetenz so ernst nehmen würde, wie er es zweifelsfrei gerne hätte und wie es leider auch viel zu viele Menschen tun, sollte man andenken, gleich allen Kinderlosen das passive und auch gleich das aktive Wahlrecht zu entziehen. Die/Wir treffen ja daher weder in der Wahlkabine noch im Amt zukunftsorientierte politische Entscheidungen – uns interessiere die Zukunft ja nicht. Sind sie/wir die eigentliche Gefahr für den Erhalt liberaler Demokratien? Das abstruse Gedankenspiel amüsiert mich kurz.  

Glaubenskrise und die Politik mit dem Sexismus

Es steht bedauerlicherweise für den realen Glauben vieler, dass Frauen, die keine Kinder zeugen, weniger "wert" seien. 

Mit Sexismus Politik zu machen ist Symptom eines gegenwärtig rechtskonservativen Zeitgeists. Die Frauen-entwertende Agenda, die hier gefahren wird, ist auch das wütende Benzin, das das sexistische Glaubenssystem Trumps und seiner ideologischen Anhänger am Laufen hält. 

Aber warum ist Frauenentwertung gerade jetzt wieder so populär? Viele Menschen fühlen sich (nicht nur in den USA) bedroht von starken Frauen. Das alte Glaubenssystem – also die Vorherrschaft des weißen Mannes – wird durch den bloßen Anspruch der Macht-Teilnahme von Frauen gar ins Wanken gebracht. Ich verstehe die Angst sogar, kann die breite männliche depressive Verstimmung (natürlich nicht aller Männer) nachvollziehen. Das Glaubenssystem wird tatsächlich bedroht – endlich. 

Toxische Infektionskrankheit

Man könnte nun im weit entfernten Österreich sitzen und sich schaudernd daran ergötzen, was in den USA passiert. Sich Popcorn machen, als ob man in einem True-Crime-Podcast davon hört, wie der potenziell künftige Präsident der USA die Rechte von Frauen, Einwander*innen und LGBTQIA*-Personen ins vorige Jahrhundert zu bugsieren verspricht

Aber erstens hasse ich Popcorn und zweitens wird dadurch die Diskurs-Exportmacht der USA auf kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen auch auf Österreich unterschätzt. Vom Einfluss des Wahlausgangs auf die Weltwirtschaft, den Ukraine- und Nahost-Kriegs soll hier noch gar nicht die Rede sein. 

Denn das Gesprochene des Sexisten ist wie eine toxische Infektionskrankheit, die durch die Smartphone-Screens jeden mit Frauenverachtung infizieren könnte, den/die es erreicht und vulnerabel ist. Das hängt auch davon ab, wer das Gift sprüht: Diese Aussagen werden nämlich von Menschen getätigt, die mit fast 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit bald die mächtigsten Ämter der Welt bekleiden könnten. 

Sieg der Primitivität

Ein Sieg Trumps stünde auch dafür, dass seine Wähler*innen ihn für in der Arena vorgeführte Misogynie belohnen. Ihn für eine politische Kommunikation achten, in der die amtierende Vize-Präsidentin, ehemalige Justizministerin beziehungsweise Generalstaatsanwältin von Kalifornien oder ehemalige kalifornische Senatorin darauf reduziert wird, eine Frau zu sein, die zu allem Überfluss auch keine Kinder geboren hat.

Es wäre ein Sieg der Primitivität, eines Pussy-Grabbers, der mit seiner vulgären, frauenverachtenden und rassistischen Keule die Errungenschaften der Frauenrechte so weit in eine Vergangenheit zurückschleudert, sodass fast wieder Suffragetten notwendig werden könnten. 

Mir graut vor dem, was kommt. Mir graut es, was sich Politiker und die Gesellschaft abschauen könnten, nachdem der einst mächtigste und möglicherweise bald wieder mächtigste Mann der Welt Frauenverachtung so sagbar und machbar macht.

Dauerzustand" ist die Kolumne von Newsdesk-Redakteurin Diana Dauer über die Lebenswelt als kinderlose Millennial-Frau, über das Älterwerden, Schablonen, die man ausfüllen muss und Alltags-Sexismus. diana.dauer@kurier.at

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