Pass-egal-Wahl in einer Schule: Wenigstens hier ein Mitsprachrecht

Wählerin steckt Kuvert in die Wahlurne
HAK/HASch Margaretenstraße organisierte die von SOS-Mitmensch initiierte Wahl bei der die Staatsbürgerschaft egal ist.

Margaretenstraße 65, 3. Stock, Raum 309 der Handelsakademie/-schule des BFI (Berufsförderungsinstituts) wurde einen Schultag lang zu einem Wahllokal umfunktioniert. Stimmt, bei Wahlen werden viele Klassenzimmer zu Orten der Stimmabgabe. Allerdings nur an Wahlsonntagen. Hier war’s ein Schultag. Die „Wahlzellen“ sind Schreibtische, die an drei Seiten von bunten Sichtschutz-Kartons begrenzt sind.

Demokratie-Hürden

Wählen durften/konnten und an diesem Tag ausschließlich jene, die von der Wahl am 11.Oktober ausgeschlossen sind – weil sie nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Über ganz Wien verteilt trifft das auf fast ein Drittel der hier – oft schon seeeehr lange, nicht selten das ganze Leben – wohnenden Menschen ab 16 Jahren zu. Die Staatsbürgerschaft dieses Landes zu kriegen ist weit, weit schwieriger als in vielen anderen Staaten – Stichworte: hohe Gebühren und hohe Einkommensgrenzen – fast 1000 € müssen monatlich übrigbleiben, wenn Miete und andere Fixkosten bezahlt sind.

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Egal welche Staatsbürgerschaft

Seit einigen Jahren organisiert die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch eine Pass-egal-Wahl. Damit soll auf dieses Demokratiedefizit aufmerksam gemacht werden – für die Betroffenen, aber auch für die ganze „restliche“ Gesellschaft – wenn jede/r Dritte nicht mitsprechen darf. Und bei der Pass-egal-Wahl dürfen genau nur jene wählen, die vom demokratischen Recht von Amts wegen ausgeschlossen sind. Die Aktion wird an verschiedenen Orten durchgeführt – und heuer wegen Corona verstärkt als Briefwahl.

Jugendliche organisieren und checken

In der HAK des BFI organisierten Schüler_innen unterstützt von Lehrpersonen so eine Wahl. Eine der Organisatorinnen ist Vivienne aus der 2aS (Handelsschule). Mit 15 darf sie so und so noch nicht wählen, findet aber dieses demokratische Instrument ganz wichtig und „so geh ich durch die Klassen und mache auf diese Wahl hier aufmerksam.“

Rund ¾ der in Frage kommenden 214 Schülerinnen und Schüler – von 612 Jugendlichen ab der 2. Klasse (also ab 16 Jahren) - haben von diesem Recht Gebrauch gemacht. 157 gaben ihre Stimmen ab.

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Wahlkommission und „Security“

Das Organisationsteam, das sich in Persönlichkeits- und politischer Bildung auf diese Aktion vorbereitet hat, informierte, wie Vivienne dem Kinder-KURIER erzählt, nicht nur in den Klassen, sondern stellte auch die Wahlkommission. „Die müssen den Jugendlichen erklären, wie das mit dem Stimmzettel und den Kuverts geht und aufschreiben, wie viele von jeder Klasse teilgenommen haben.“ Vivienne findet es „sehr gut, dass auch die ihre Stimme abgeben können, die schon so lange hier leben“.

Freude, Desinteresse, aber niemand dagegen

Der 18-jährige Ekin, der seit 18 Jahren in Wien lebt meint: „Es ist traurig, dass ich nicht bei der echten Wahl mitmachen darf, drum bin ich sehr zufrieden, dass ich wenigstens hier wählen darf.“

Beim Gang durch die Klassen, um darüber zu informieren, habe er sowohl Freude, aber auch Desinteresse erfahren, „aber niemand war dagegen“.

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Masken und Desinfektion

Mohammad (17), ein weiterer Helfer „mag die Idee, ich finde, jede und jeder wer hier lebt und Steuern zahlt, sollte auch wählen dürfen. Dass ich nicht wählen darf, ärgert mich, umso mehr freut es mich, dass wir hier in der Schule diese Aktion haben und ich da mitbestimmen und sogar mithelfen darf.“ Seine Aufgabe als „Security“ schildert er so: „Wir müssen schauen, dass alle eine Maske tragen und nie mehr als vier Leute gleichzeitig wählen – wegen des Abstands. Außerdem muss nach jeder Wählerin und jedem Wähler der Platz in der Wahlzelle desinfiziert werden.“

Faire Chancen

Emirhan aus dem Helfer_innen-Team macht vor allem deswegen mit, „weil ich anderen helfen will, dass sie diese faire Chance auf eine Wahl haben“.

Adela und Anamarija, beide aus der 2bk finden es beide „unfair, dass jemand, der hier lebt, nicht wählen darf, darum haben wir uns gefreut, dass wir hier wählen dürfen“. Dem schließt sich Andjela an, die gleichzeitig mit den beiden anderen ihre Stimme abgibt.

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Desinfektion des Wahl-Platzes

Unfair

Sümeyra (15) findet es ebenfalls „unfair, dass Menschen, die ihr ganzes Leben hier wohnen, nicht mitbestimmen dürfen bei einer Wahl“. Sie selbst darf nur noch nicht wählen, weil sie erst 15 ist.

Staatenlos

Dass dies mit der Staatsbürgerschaft auch nicht so einfach ist, wie so manche behaupten oder meinen, zeigt besonders krass das Beispiel von Sepideh. Die 18-jährige ist staatenlos. „Ich bin Afghanerin, aber im Iran geboren. Da bekommst du dann keine Papiere.“ Seit 12 Jahren, also zwei Drittel ihres Lebens, wohnt sie in Österreich. Die eloquente Schülerin der Maturaklasse „wollte nach der Matura in London studieren, was ich jetzt wegen des Brexit nicht kann, weil ich nicht um ein Visum ansuchen darf“.

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Mega

Menis (20): „Ich find die Aktion mega, so haben wir wenigstens hier ein Mitspracherecht.“ Auf die Wahl hat er sich vorbereitet, indem „ich mir die Programme aller Parteien im Internet angeschaut habe. Die Wahl ist mir nicht leicht gefallen, im Endeffekt hat aber auch mein Bauchgefühl mitgeholfen.“

Kristina (19): Für mich war’s bald klar, wen ich nicht und wen schon wähle. Ich hab mir das dann aber doch noch einmal durch den Kopf gehen lassen, bevor ich meinen Stimmzettel ausgefüllt habe.“

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Wählerin steckt Kuvert in die Wahlurne

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Pass-egal-Wahl in einer Schule: Wenigstens hier ein Mitsprachrecht

humDAY goes online

Übrigens: Handelsakademien gehören zu den sogenannten "Hum"-Schulen (humanwissenschaftlichtlichen im Gegensatz zu den technischen wie HTL). Dazu zählen neben den Wirtschafts- und Tourismus-Schulen auch die mit küsntlerischen sowie sozialen (Aus-)Bildungsschwerpunkten. Diese Schulen stellen sich seit einigen Jahren immer am sogenannten humDAY vor - üblicherweise in Form einer Art Messe im Wiener Rathaus.

Aus bekannten Gründen spielt's das diesmal nicht und so läuft der humDAY virtuell, digital, online ab. Schulen stellen sich vor, so dass interessierte jüngere Schüler_innen bzw. deren Eltern mehr Einblick über die jeweilige Schulform bzw. die jeweilige Schule bekommen (können).

Und das wird am 7. Oktober 2020 zwischen 8 und 18 Uhr geboten:

* Willkommens-Video: Was bietet der humDay 2020?

* Überblicks-Video: Vorstellung der unterschiedlichen Ausbildungsmöglichkeiten

* die bewährte APP: Plan your Future

* Video-Clips zu den unterschiedlichen Ausbildungsmöglichkeiten

* Speed-Dating: Live-Chats für Jugendliche - betreut von "hum"-Schüler_innen: 8 -15 Uhr.

* Chats für vertiefende Fragen der Eltern, Jugendliche: Dafür stehen Schülerberater_innen von 15 Uhr bis 18 Uhr zur Verfügung.

humwien.at

 

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