Wo Miley Cyrus, Hannah Montana oder Chuck Norris wählen…
Update: 13. September 2019, 21.54 Uhr: Ergänzt um weiteres probewahl-Angebot in der Wiener Jugendinfo.
Wie schaut ein Stimmzettel aus? Was musst du mithaben, um wählen zu dürfen? Was wäre gut zu wissen, bevor du die „Stimme abgibst“ wie das Ausüben des Wahlrechts oft genannt wird. Gerade die letztgenannte Formulierung führt bei Kindern mitunter zu Verwirrung: „Wieso kannst du dann noch reden, wenn du die Stimme abgegeben hast?“
Um Jugendlichen am 29. September mögliche Berührungsängste mit dem für sie neuen Vorgang zu nehmen, veranstalteten Vereine aus dem Bereich der Wiener Jugendarbeit - vor allem von Backbone, die die Aktion schon vor rund zehn Jahren initiierten, und BasE20 (Verein Wiener Jugendzentren) - am Dienstag für mehrere Stunden eine Probewahl. In Zusammenarbeit mit dem Gymnasium in der Karajangasse waren auf dem Wallensteinplatz (20. Bezirk Brigittenau) Wahlkabinen aufgebaut. Bei der Wahlkommission gab es Stimmzettel mit dem großen Aufdruck Muster.
Wenn es die Welt nicht gibt, ...
Bevor die Schülerinnen und Schüler ihre bevorzugte Partei ankreuzten, gab es noch Info-Runden. Nach dem Erklären des Prozederes besprachen die Jugendlichen den von der BundesJugendVertretung zusammengestellten Jugendcheck. Der Dachverband österreichischer Jugendorganisationen hatte die aktuell im Parlament – National- und Bundesrat) vertretenen Parteien nach Aussagen zu Bildung, Nachhaltigkeit, Gesundheit, Arbeit und Gesellschaft befragt und dies übersichtlich zusammengestellt. Umwelt und Klima sind für viele das Wichtigste. „Wenn es die Welt nicht gibt, wie willst du dann leben!?“ brachte eine der Jugendlichen die Wichtigkeit des Themas auf den Punkt.
Danach konnten sich die Jungwähler_innen fiktive Ausweise (bei der echten Wahl besteht ja Ausweispflicht) ausborgen mit Namen von Promis wie Miley Cyrus, Hannah Montana oder Chuck Norris und anderen.
In vielen Unterrichts-Gegenständen
„Vieles haben wir eh schon gewusst, weil wir’s in der Schule besprochen haben“, berichten etwa Manuela und Merijam sowie viele andere Jugendliche, die der Kinder-KURIER befragte. Die meisten wollen allerdings ihren Namen, so manche auch ihre Fotos nicht in einem Medium veröffentlicht sehen. Geschichte, Deutsch, Geografie, sogar Informatik nannten die Schüler_innen als Fächer, in denen sie über das politische System und Wahlen im Allgemeinen aber auch über aktuelle Ereignisse diskutier(t)en.
Dennoch finden viele die Probewahl ganz gut, „weil ich jetzt weiß, wie’s wirklich geht“, sagt etwa Arbi Shamil. Neu für die meisten waren vor allem die Informationen über die Möglichkeit, Vorzugsstimmen für Kandidat_innen zu vergeben, um Leute, die auf der Liste ihrer Partei weiter hinten gereiht sind nach vor und damit vielleicht wirklich in den Nationalrat zu bringen.
Auch die Deutsch- und Geschichts-Lehrerin Leonie Haaf aus der wenige Gehminuten entfernten AHS findet die Aktion „gut und wichtig, weil sie vielleicht sogar mehr bringt als der reine Unterricht in der Klasse, wo wir schon auch über das politische System reden“.
Viele dürfen nicht wählen
Was die meisten (sehr) ärgert ist, „dass wir selber gar nicht wählen dürfen, obwohl viele von uns schon seit der Geburt hier leben“, wie es Imran formuliert. Dazu gibt’s eine eigene Wand der #Initiative Wahlrecht. Davor schreiben viele der Jugendlichen eigene Protest- und Forderungs-Zettel, die sie dort aufhängen oder sich damit fotografieren lassen. „Immerhin dürfen ungefähr 23 Prozent der Bürgerinnen und Bürger bei der Parlamentswahl nicht wählen“, begründet Imran, der aus Afghanistan geflüchtet ist und seit acht Jahren in Österreich lebt, seinen Ärger. Deswegen „engagiere ich mich leidenschaftlich politisch. In Afghanistan, wo zwei Tage vor Österreich auch Parlamentswahlen stattfinden, wüsste ich auch schon, wen ich wähle. Hier schwanke ich noch.“
Selber Politikerin oder Politiker zu werden, kann sich kaum wer vorstellen, „aber politisch engagieren, das machen schon viele“, erzählt eine Schülerin. „Wir haben zum Beispiel eine kleine Demo gemacht, als eine Mitschülerin abgeschoben werden sollte.“
Pass egal Wahl
„Heuer können bei vielen Klassen wegen der Staatsbürgerschaft fast die Hälfte der Jugendlichen nicht wählen und das ist viel mehr als bei der letzten Probewahl“, ziehen die beiden Jugendarbeiterinnen in der Wahlkommission gegenüber dem KiKu eine traurige Bilanz. Bei der Probewahl hier dürfen sie übrigens natürlich schon wählen. Übrigens auch jene, die noch nicht 16 Jahre sind.
Bei einem Info-Tisch von SOS Mitmensch wurde auch auf die aus diesem Grund jedes Mal stattfindende „Pass Egal Wahl“ hingewiesen. Bei dieser können am 24. September in mehr als einem Dutzend österreichischer Städte – meist zwischen 15 und 20 Uhr - all jene, die keinen österreichischen Pass haben aber hier leben ihre Stimme abgeben. Auf der Homepage gibt’s auch die Möglichkeit zu einer Briefwahl.
Überraschendes Ergebnis
324 Jugendliche haben im Laufe des Tages die Möglichkeit zur Probewahl genutzt. Die 171 Mädchen und 153 Burschen statteten die SPÖ mti einer knappen absoluten Mehrheit aus. Platz 2 erreichtne die Grünen (20 %), FP und VP kmaen auf 6 bzw. 5 Prozent. NEOS, JETZT und KPÖ kamen mit je vier Stimmen auf jeweils ca. 1 %.
Probewahlen in der Wiener Jugendinfo
Ab kommender Woche (16. September 2019) haben Jugendliche in der wienXtra-jugendinfoauch die Chance, „Wahlkabinenluft“ zu schnuppern. Wahlkabine, -urne und Muster-Stimmzettel stehen bzw. liegen für Probewahlen bis zum Wahltag (29. September 2019) zur Verfügung.
Auch hier liegt Info-Material rund ums Wählen, die Broschüre der BundesJugendVertretung mit den Positionen der kandidierenden Parteien zu jugendrelevanten Themen auf. Die Jugendlichen können aber auch vor Ort Online-Ressourcen wie wahlkabine.at auf Tablets nutzen und Positionen der Parteien nachlesen oder -schauen.
Zusätzlich warten die Mitarbeiter_innen natürlich auch mit persönlichen Auskünften auf. Einzeln können Jugendliche das Angebot zu den Öffnungszeiten nutzen (siehe unten), Gruppen und Schulklassen können auch Termine außerhalb dieser Nachmittagsstunden vereinbaren.
Infos
1010, Babenbergerstraße/Ecke Burgring
Öffnungszeiten: Mo – Fr, 14.30 bis18.30 Uhr
Telefon: (01) 4000-84 100
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