Echtes Onlinetheater 2.0: Du entscheidest mit, wohin die Reise geht

Im Stadion von Austria Wien "landen" die Utopist_innen
Sollen die Überlebenden einer sozialdemokratischen, ja fast sozialistischen Utopie nach 50 Jahren nun sich als Gruppe auflösen, in die Gesellschaft integrieren, sie vielleicht sogar verändern. Oder aber lieber ihre reine Lehre und die entsprechenden Werte in einer abgeschiedenen, eigenen Welt (aus-)leben? Nur in neuen, hypermodernen, hight-tech, hellen Räumen eines Art Happylands statt im desolaten Bunker unter dem Karlsplatz wo sie bisher agierten?
Soweit kürzest zusammengefasst die Ausgangs- und vielleicht auch End-Lage des interaktiven echten Online-Theaters samt Video-Einspielungen „Nesterval: Goodbye Kreisky. Willkommen im Untergrund“, einer Kooperation der Gruppe Nesterval mit brut Wien.

Abgekämpft aus dem Bunke
Nestroy-Corona-Spezialpreis
Wie Teil 1 sollte die Performance, „immersives Theater“ genannt, weil das Publikum ins Geschehen reingezogen wird und an manchen Weggabelungen den weiteren Verlauf der Handlung beeinflusst und mitbestimmt, live, aber analog stattfinden.
Mitte April hatte die Gruppe Nesterval, die das Publikum ins szenische Spiel reinzuziehen, es zum aktiven Mitspielen – zumindest durch Entscheidungen – zum „Kreisky-Test“ eingeladen. Ohne auch nur ahnen zu können, was ab März auf die ganze Welt und damit auch auf Kunst und Kultur zukommt, hatten sie dieses Spiel für mehrere Kleingruppen parallel geplant – was für die Gruppe neu war, die sonst Riesen-Performances organisiert hatte. Lockdwon 1 zwang – und ermöglichte durch das Kleingruppen-Konzept – das Ausweichen in ZOOM-Meetings. Was aber letztlich den Theaterpreis Nestroy in der Kategorie Corona Spezialpreis einbrachte. Im Gegensatz zum Streaming aufgezeichneter Stücke, das viele Theaterhäuser anboten, war’s ja echtes Online-Theater.

Ziemlich uniformiert die jeweiligen Gruppen
Und wieder rasch umgebaut
Jetzt im November sollte die Fortsetzung endlich analog-live in sechs unterschiedlichen Locations gleichzeitig stattfinden. Corona-konform – vom Herbst-Standpunkt aus – höchstens 12 Besucher_innen in den einzelnen Spielorten. Dann kam, eh schon wissen. Diesmal mit weniger Vorlauf. Vielleicht zieht sich deswegen der Beginn der nunmehrigen Online-Version mehr als bei Teil 1 im Frühjahr. Es dauert ziemlich lang bis Besucherinnen wirklich miteinbezogen werden – entscheiden dürfen hier weitgehend ausschließlich die weiblichen Gäste.
Geheime Kreisky-Vertraute
Auch im szenischen Geschehen dürfen nur Frauen wählen – das ist der Gründerin der unterirdischen Utopie zu verdanken, der Kunstfigur Gertrude Nesterval. Ihr – von den Theaterleuten, vor allem der Kern-Crew – Frau Löfberg (Buch) und Herr Finnland (Regie) – entwickelter Charakter: Enge politisch Vertraute von Bruno Kreisky, die allerdings den sozialistischen/ sozialdemokratischen Inhalten und Werten treu bleiben wollte. Deswegen und weil sie eine sehr starke Frau war, verschwand sie in der Versenkung.

Strenge Analytiker_innen
Miteintscheiden
Höchstens zwölf Gäste befinden sich in einem Zoom-Meeting, moderiert von einer Person aus dem Analyseteam der Nestervals. Hin und wieder wird auf die aus dem Bunker gekommen Überlebenden der „Utopie“, die eher nach Dystopie klingt, per Video geblendet. Entscheidungen werden getroffen, wie’s weitergeht. Details sollen hier – nicht nur auf Wunsch der Theaterleute selber, sondern vor allem auch, um künftigen Gästen die Spannung nicht zu nehmen – wirklich nicht verraten werden. Lediglich so viel, dass sich mit Fortdauer des Spiels – das bei der Premiere noch deutlich mehr als zwei Stunden gedauert hat – mehr Möglichkeiten des Eingreifens, des Interagierens eröffnen.
Erfahrungsaustausch
Nach dem Abschluss in den einzelnen sechs ZOOM-Räumen, können jene Gäste, die das wollen, zu einer gemeinsamen großen Video-Konferenz zusammenkommen, Erlebnisse austauschen und vielleicht Skepsis ausräumen, dass ohnehin auf ein fixes Ergebnis hin manipuliert würde. Dort war nach der Premiere zu erfahren, dass ungefähr acht Szenen live online erlebt werden, während rund 80 vorbereitet – und viele davon auch schon gedreht wurden. Bis zum März soll daraus ein ganzes komplexes Online-Spiel entstehen. Und bis dahin, so nach dem Lockdown in absehbarer Zeit wieder analoges-live-Theater möglich ist, würde „Nesterval: Goodbye Kreisky. Willkommen im Untergrund“ auch wirklich analog-live an sechs Standorten parallel gespielt.
Von Brezinas Kinderkrimis inspiriert
Und Herr Finnland verriet auch noch, zu diesem Spiel mit Weggabelungen und Entscheidungen sei er in seiner Kindheit durch einige von Thomas Brezinas Kinderkrimis inspiriert worden, wo er als junger Leser bestimmen konnte, wo und wie es weitergehen sollte.
Nesterval: Goodbye Kreisky. Willkommen im Untergrund
Film/Performance/Abenteuer
Koproduktion von Nesterval und brut Wien
Leading Team:
Regie: Herr Finnland
Buch: Frau Löfberg
Dramaturgie: Andi Fleck
Choreografie: Jerôme Knols
Cast:
Die Bedroten
Maria Grün: Alexandra Thompson
Patrizia Rot: Astôn Matters
Theo Rot: Alkis Vlassakakis
Franka Rot: Laura Hermann
Roberta Rot: Michaela Schmidlechner
Maggo Rot: Willy Mutzenpachner
Raffaela Grau: Claudia Six
Viktoria Grau: Miriam Hie
Ludowika Weiß: Rita Brandneulinger
Anna Weiß: Chiara Seide
Erich Weiß: David Demofike
Petra Schwarz: Romy Hrubeš
Jannik Schwarz: Martin Walanka
Julian Schwarz: Johannes Scheutz
Darsteller_innen in der Goodbye-Kreisky-Erlebniswelt
Gertrud Nesterval: Astôn Matters
Olivia Grau: Cuqui Espinoza
Isabella Gold: Nicole Gerfertz
junge Maria Grün: Sabine Anders
Analyse 008_Daniela: Eva Billisich
Analyse 001_Jonas: Christopher Wurmdobler
Analyse 002_David: Simon Stockinger
Analyse 005_Daniel: Niklas-Sven Kerck
Analyseteam des Nesterval-Fonds
Analyse 012_Andreas: Andreas Fleck
Analyse 027_Alexander: Gellert Gerson Butter
Analyse 032_Anton: Josef Rabitsch
Analyse 044 _Andrea: Pamina Puls
Analyse 057_Albert: Andy Reiter
Analyse 069_Alexandra: Julia Fuchs
Kreisky-Experte und -Stimme: Peter Hörmanseder
Kostüm: Andy Reiter
Requisite: Willy Mutzenpachner
Setdesign: Andrea Konrad
Sounddesign: Alkis Vlassakakis, Josef Rabitsch
Film: Lorenz Tröbinger
Filmproduktion: Sabine Anders
Produktion: Emilie Kleinszig
Wann & wo?
Immersive Live-Zoom-Version – garantiert lockdowngerecht und mehr als nur ein digitaler Ersatz - via ZOOM
27. – 29. November 2020, jeweils 19 Uhr
3. – 6. Und 10. Bis 12. Dezember 2020, 19 Uhr
brut-wien.at -> Nesterval-Tickets
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