Auf der Suche nach der verlorenen Gleichberechtigung

Szenenfoto aus „The Return of Ishtar“.
„The Return of Ishtar“ spielt mit Puppen, Schauspiel, Tanz, Projektionen, Musik und auch Witz gegen das Patriarchat.

An „Seilen“ hängend in einer Art Fahrkörben stehend begrüßen die drei Performerinnen - Anna Menzel, Ivana Sajević, Annemie Twardawa – das Publikum während es den Saal betritt. Was in Corona-Zeiten länger dauert als im Normallfall, gilt es doch Abstand zu wahren. Irgendwie erinnern die Seile an Nabelschnüre. Auf dem Boden davor und rundum liegen überdimensionale Körperteile. Und über allem schwebt ein Flügelpaar.

Aus dem Off wird über den Mythos der Göttin – oder eigentlich Gottheit – Ishtar erzählt. Er- oder gefunden in Uruk, der Stadt des Gilgamesch-Epos, die schon vor gut 5000 Jahren als Megacity galt – in Mesopotamien, dem 2-Stromland zwischen Euphrat und Tigris. Eine Gottheit, die allgemein Frauen bzw. Männern zugeschriebene Eigenschaften in sich vereinigte. Wild und sanft, kriegerisch und liebend…

Eine Frau in einem Kostüm mit einem Bärenkopf auf einer Bühne.

Szenenfoto aus "The Return of Ishtar"

Verdrängt durch die an die Macht gekommenen Männer, die die folgenden Jahrtausende Frauen nicht nur unterdrück(t)en, sondern viele Erinnerungen an Heldinnen auslösch(t)en, machen sich die nun abgenabelten, geborenen Frauen auf die Suche danach, das Patriarchat zu überwinden. Zu Hilfe kommt ihnen die Hackerin Chelsea Manning, vormals Bradley und da noch ein Mann obwohl sie sich immer schon als Frau/Mädchen gefühlt hatte. Berühmt machten sie Enthüllungen geheimer Dokumente der US-Streitkräfte im Irak-Krieg über zivile Opfer. Die spielte sie als „Whistleblowerin“ WikiLeaks zu. Dafür saß sie in Haft. Präsident Obama erließ ihr den Großteil der Gefängnisstrafe.

Chelsea taucht nicht nur in Projektionen – auf den schon erwähnten Flügeln – auf. Gegen Ende schlüpft sie – na, woraus sei nicht verraten – als Puppe hervor. Puppenspiel war die erste Profession des Bühnentrios. Alle drei haben diese Kunstform in Berlin studiert. Aus einem Spaßprojekt vor rund zehn Jahren ging der lose Zusammenschluss „Lovefuckers“ hervor, erzählt Ivana Sajević dem Kinder-KURIER. „Für uns müssen immer vier P im Spiel sein: Puppenspiel, Performance, Projektionen und Pop.“ Und wichtige Themen, darunter waren schon Diktatoren oder Spam sowie absolute Fake-News. Hier stand am Beginn die Frage er Machtverteilung zwischen den Geschlechtern. In der Recherche sei sie zufällig auf den Ishtar-Mythos gestoßen. Der dann zum zentralen Plot wurde.

Eine Frau mit einem Bildschirm als Kopf steht auf einer Bühne.

Szenenfoto aus "The Return of Ishtar"

Das Trio in Kooperation mit dem Dschungel Wien – deren Intendantin, Corinne Eckenstein zeichnet für Regie und Choreografie verantwortlich – entwickelte dann die einzelnen Elemente und das Zusammenspiel von Puppen, beeindruckend vor allem die Hyäne, Schauspiel, tänzerischen Momenten, Projektionen (Techdesign, Videomapping: Valentin Danler) und Musik (Manfred Engelmayr) und teils schrägen Kostümen (Ausstattung: Birgit Kellner, Christian Schlechter (Spitzwegerich).

Auf dem Weg, viel mehr der Suche zu einem gerechte(re)n Verhältnis der Geschlechter bzw. vielleicht sogar dem Verschwinden der Bedeutung desselben „verwandeln“ sich die drei Spielerinnen manchmal auch – durch Stimme, aufgeklebte Schnurrbärte, vor allem aber Sprache und Gehabe in karikaturhaft überspitzte Machos. Die ahnen, ja verspüren den Anbruch der Dämmerung ihrer Herrschaft und sind doch zu herzhaften Lachern komisch.

Eine goldene, geflügelte Figur auf einer Bühne, möglicherweise eine Darstellung von Ishtar.

Ishtar-Figur

Aber wie deren Herrschaft endgültig überwinden? Radikaler vorgehen? Was aber ist radikal. Verschiedene historische Befreiungskämpferinnen u.a. Kurdinnen der YAJ Star (Yeketiya Azadiya Jinên Kurdistan, wobei Star an Ishtar erinnern soll), aber auch terroristische Frauenfiguren kommen als Papp-Masken ins Spiel. Aber auch gar nicht terroristische und doch radikale, sogar heutige und noch dazu jungen Kämpferinnen tauchen auf – Greta etwa und Malala wird genannt.

Und wieder einmal taucht Chelsea auf. Sie kündigt schon früh an, sich um die DNA von Ishtar zu kümmern. „Let’s hack!“

Und so ersteht die hier zur Ikone erhobene Ishtar, oft auch als Ištar vorkommend, am Ende (wieder) auf, schwebt über allem und es kommen die Zeilen vom Beginn in den Sinn: „Dass ein Mann den Weg einer Frau geht, und eine Frau den Weg eines Mannes, gehört zu dir. Dass du den Mann durchhalten lässt, und eine Frau wie einen Mann behandelst, gehört zu dir…“

Nachdem alle Gottheiten von Menschen ausgedacht wurden/werden, wird bewusst, vor gut 5000 Jahren – als die Menschen rund um Babylon (unweit von Uruk, heute Warka) anbeteten, waren sie noch auf dem Trip, der überhaupt das (Über-)Leben der Menschheit sicherte: Zusammenarbeit, Miteinander, Kooperation.

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Drei Performerinnen in weißen Kostümen und falschen Bärten auf einer Bühne.

Drei Performer mit Masken und weißen Overalls auf einer Bühne mit Requisiten.

Eine Frau in einem Kostüm mit einem Bärenkopf auf einer Bühne.

Zwei Frauen hantieren mit einer Puppe, die auf einem Monitor sitzt, auf einer Bühne.

Eine Frau hält zwei Actionfiguren in einem Theaterstück namens „The Return of Ishtar“.

Eine Theaterszene mit einer Frau und mehreren Darstellern in fantasievollen, rosa-weißen Kostümen.

Drei Frauen stehen in Körben auf einer Bühne während einer Aufführung von „The Return of Ishtar“.

Eine Performerin mit einer goldenen Kopfbedeckung auf einer Bühne, möglicherweise aus „The Return of Ishtar“.

Eine goldene, geflügelte Figur auf einer Bühne, möglicherweise eine Darstellung von Ishtar.

Zwei Frauen auf einer Bühne mit Requisiten, die an Kissen und einen Korb erinnern.

Eine Frau mit einem Bildschirm als Kopf steht auf einer Bühne.

Szene aus „The Return of Ishtar“ von Rainer Berson mit drei Performerinnen auf einer Bühne.

Eine Szene aus der Performance „The Return of Ishtar“ von C. Rainer Berson.

Eine Frau sitzt auf der Bühne, umgeben von Kissen, und hält eine Puppe hoch.

Szenenfoto aus „The Return of Ishtar“.

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