In der deutschen Sprache stellt das eine Herausforderung dar, weil sich bisher keine geschlechtsneutralen Pronomen durchsetzen konnten. Viele non-binäre Menschen bevorzugen daher die neutrale englische Pluralform "they/them".
Die Ambivalenz der Anerkennung spiegelt sich in der Berichterstattung nach dem Song Contest wider: Manche Medien schreiben über Nemo neutral von "Musiktalent" oder "Künstlerperson", während andere bewusst männliche Pronomen verwenden. Nemo selbst räumte ein, dass es schwierig ist, sich daran zu gewöhnen. "Aber eure Bereitschaft zu lernen und eure Akzeptanz meines wahren Selbst bedeuten mir mehr, als es von Anfang an richtigzumachen", heißt es in einem Instagram-Posting.
Prominente Beispiele
Nicht-Binäre gehören zur LGBTIQ-Gemeinde (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell, queer), haben aber eine eigene Flagge, die Nemo während des Einzugs in Malmö schwenkte. Sie ist gelb, weiß, violett und schwarz gestreift und steht für alle Menschen, die sich von der Regenbogenflagge nicht repräsentiert fühlen. Durch prominente Coming-outs wurde der Geschlechtsidentität zuletzt mehr Aufmerksamkeit zuteil: Disney-Star Demi Lovato bezeichnete sich als non-binary (möchte aber inzwischen wieder mit weiblichen Pronomen angesprochen werden). Auch Emma Corrin ("The Crown"), Sara Ramirez ("And Just Like That") oder Sam Smith ("Stay With Me") identifizieren sich weder als Frau noch als Mann.
Non-binär wird abgegrenzt von transgender (sich dem gegenteiligen Geschlecht zugehörig fühlen) oder genderfluid (Identität fließt zwischen männlich und weiblich hin und her). Die bärtige Conchita, die vor zehn Jahren beim ESC gewann und mit bürgerlichem Namen Tom Neuwirth heißt, bezeichnet sich selbst als "Dragartist". Intersexuell sind Personen, deren körperliches Geschlecht nicht der medizinischen Norm entspricht.
Im deutschlsprachigen Raum gibt es bis dato kaum Daten zur Verbreitung von Nicht-Binarität. 2021 ermittelte eine Online-Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos bei 19.000 Personen aus 27 Ländern, dass sich 4 Prozent der Generation Z (geboren nach 1996) nicht als männlich oder weiblich identifizierten. Bei älteren Befragten war es etwa 1 Prozent.
Politische Forderung
Nachwuchstalent Nemo nützt nun die neue Aufmerksamkeit, um in der Schweiz eine Forderung der Community voranzutreiben: "Ich setze mich ganz klar für einen dritten Geschlechtseintrag ein“, sagte Nemo dem Sender SRF nach dem Sieg. Der Schweizer Justizminister Beat Jans signalisierte Gesprächsbereitschaft. "Lass uns bald zusammenkommen und über queere Rechte sprechen“, schrieb er an Nemo. In Österreich kann seit 2019 auch "inter", "divers" oder "offen" als Geschlecht angegeben werden.