Kinderwunsch trotz Krebs: Mediziner fordern Kostenübernahme
Österreichische Reproduktionsmediziner fordern, dass die Krankenkassen bei Krebspatienten die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung übernehmen. In einem Brief an das Gesundheitsministerium brachten Bettina Toth, Direktorin der Gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Uni-Klinik Innsbruck und ihr Kollege der Meduni Wien, Christian Egarter, ihr Anliegen vor.
"An den Kosten gescheitert"
"Ich habe schon mehrfach erlebt, dass es an den Kosten gescheitert ist und habe das immer sehr bedrückend und furchtbar empfunden", erklärte Toth im APA-Interview. Wenn eine Frau oder ein Mann in jungen Jahren an Krebs erkranke, müssen sich die Patienten die Behandlung selbst bezahlen. Im Fall der Frau gehe es hier vor allem um das Entnehmen und Einfrieren von Eizellen oder Eierstockgewebe, wobei bei der Eizellen-Variante vorher noch eine Hormonbehandlung durchgeführt werden müsse. Bei Männern sei die Situation wesentlich einfacher, da man die Spermien lediglich einfrieren und lagern müsse.
Die Behandlung bei Frauen koste bis zu 5.000 Euro, je nachdem welche Methode vonnöten sei. Zudem kommen pro Jahr 300 bis 500 Euro für die Lagerung. Weil diese Situation in Österreich "nicht Millionen von Frauen betrifft", sondern in etwa 60 Patientinnen jährlich, schätzt Toth, dass es die Krankenkassen "grob geschätzt 300.000 bis 500.000 Euro" im Jahr kosten würde. In Deutschland sei es bereits gelungen, ein dementsprechendes Gesetz zu verabschieden. Österreich und die Schweiz versuchen sich jetzt an diesem "Kraftakt", sagte die Medizinerin. Reproduktionsmediziner der Universitätskliniken in Linz, Salzburg und Graz schlossen sich laut Toth der Forderung an.
"Auch über das Weiterleben nachdenken"
Der Zeitpunkt sei jetzt richtig, denn mittlerweile habe sich auch unter Onkologen die Bereitschaft entwickelt, "nicht nur über den Tumor nachzudenken, sondern auch über das Weiterleben". Eine interdisziplinäre Arbeit sei daher unerlässlich, auch um Patienten über ihre Möglichkeiten zu informieren. Leider komme es aber viel zu oft vor, dass beispielsweise 30-Jährige nach einer Krebserkrankung in die Kinderwunschklinik kommen und es aber aufgrund der irreversiblen Schädigung der Keimzellen nicht mehr möglich sei, den Wunsch nach Nachwuchs zu verwirklichen, so die Medizinerin.
Das Prekäre für Patienten mit Krebsdiagnose und Kinderwunsch sei außerdem, dass man "vor der Chemo- oder Strahlentherapie nur einen Versuch hat. Und das wars". Für andere Patienten dagegen, bei denen eine andere medizinische Indikation vorliege, komme ein Fonds für insgesamt vier Versuche auf. Der sogenannte "IVF-Fonds", der zum größten Teil vom Ausgleichsfonds der Familienbeihilfen und den Krankenkassen finanziert wird, übernimmt bei bestimmten Diagnosen 70 Prozent der Behandlungskosten.
Krebs zählt hier aber nicht dazu. Dafür kommt der Fonds etwa bei verschlossenen oder funktionsunfähigen Eileitern, Endometriose oder polyzystischen Ovarien für die notwendigen Maßnahmen auf. Bei Männern kommt es beispielsweise auf die Spermienqualität an, wie die Entscheidung ausfällt. Hier sei der Spielraum etwas großzügiger als bei Frauen, gab Toth zu Bedenken. Zudem muss das Paar mit Kinderwunsch verheiratet, verpartnert oder in eheähnlicher Beziehung leben.
Dass der IVF-Fonds bei Krebspatienten ins Spiel kommt, hielt Toth aber nicht für die Lösung: "Da hat man immer noch eine Selbstbeteiligung" und plädierte daher für die Krankenkassen-Lösung. Der Brief an das Ministerium, der im Mai während der Regierungskrise versandt wurde, blieb bisher jedenfalls unbeantwortet. Deshalb haben sie und Egarter gemeinsam mit den anderen österreichischen Universitätskliniken einen neuen aufgesetzt, der kommende Woche ans Ministerium versandt wird, schloss Toth.
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