Immunabwehr stärken? Start-up verkauft benutzte Taschentücher

Ein dänisches Unternehmen mit Sitz in den USA verkauft angeschnäuzte Taschentücher.
Ein dänisches Unternehmen mit Sitz in den USA will mit angeschnäuzten Taschentüchern Geld machen. Experten sind alarmiert.

Eine etwas andere Art der Erkältungsprävention versucht derzeit das in Los Angeles ansässige Unternehmen Vaev Tissue am Markt zu etablieren. Geliefert wird das Produkt in einer minimalistisch designten, weißen Box. Darin verbirgt sich eine mittels goldenem Klebeband versiegelte Petrischale – mit einem benutzten Taschentuch. Kostenpunkt: 79,99 US-Dollar.

Teurer Nasenschleim

Sie haben richtig gehört. Für knapp 70 Euro kann man ein Kleenex mit dem Nasenschleim einer anderen, erkälteten Person erstehen. Wozu? Laut Hersteller, um das eigene Immunsystem abzuhärten.

"Bereiten Sie sich auf die Erkältungssaison vor", steht in der Produktbeschreibung auf der Website geschrieben. Die Taschentücher seien nicht verschreibungspflichtig und würden "Hand in Hand mit dem menschlichen Körper" arbeiten.

"Das Produkt ist ein ganz normales Taschentuch, das es auch in Geschäften zu kaufen gibt. Das Gewebe wird mit einem Hydrofilm behandelt, einem menschlichen Nieser", erklärt Firmengründer Oliver Neissen im Interview mit der Zeitung The Sun seine Erfindung. "Der Nieser stammt von einer Person, die krank ist und zu uns ins Labor kommt, um auf eine Packung Taschentücher zu niesen, die dann verpackt und verkauft wird", schildert er weiter.

"Wir haben eine Reihe von zur Verfügung stehenden Menschen, die für die Produktion dieses Produkts krank werden. Das garantiert, dass immer mindestens eine Person zur Verfügung steht, um mehr zu produzieren. So funktioniert der Prozess."

Immunabwehr stärken? Start-up verkauft benutzte Taschentücher

So sieht das Produkt von Vaev Tissue aus.

Wer glaubt, dass wohl niemand ernsthaft in fremdes Nasensekret investieren würde, irrt. Glaubt man der Website des Unternehmens, ist das Produkt seit Wochen ausverkauft. Laborstudien, die dessen Wirksamkeit belegen, gibt es keine.

Nicht ratsam

Stichwort Wirksamkeit: Diese wird von Experten massiv in Zweifel gezogen.

"Das Problem ist, dass Viren nicht so funktionieren", sagt etwa Charles Gerba, US-Mikrobiologe und Professor an der University of Arizona, im Interview mit dem Magazin Time. Es gebe mehr als 200 verschiedene Rhinoviren, jene Krankheitserreger, die hauptverantwortlich für Schnupfen und Erkältungen sind.

"Daher müsste man sich etwa 200 Taschentücher in die Nase schieben, um sich nach einander mit allen anzustecken." Sich einem Virus auszusetzen, könne zwar tatsächlich abhärtend wirken – "aber eben nur gegen diesen einen Virenstrang". Dies sei auch der Grund dafür, warum es bisher keine Impfung gegen Erkältung gebe. Denn: "Wie macht man einen Impfstoff gegen 200 verschiedene Viren?"

Verwendet man ein benutztes Taschentuch, stehen die Chancen gut, dass man sich mit dem Virus auf dem Gewebe ansteckt. Vorausgesetzt, das Gewebe wurde dauerhaft gekühlt und mit Konservierungsmittel behandelt, um das Virus am Leben zu erhalten, erklärt Gerba.

Doch nicht nur die Wirksamkeit des Produktes stellt er infrage. Er sieht darin auch eine beträchtliche Gefahr für Konsumenten. Der Verkauf von angeschäuzten Taschentüchern sei eine "unglaubliche Gefahr", so Gerba. Man könne nicht vorhersagen, wie eine Person auf einen Virus reagiert. Ältere Personen, Kinder oder Menschen mit schwachem Immunsystem könnten damit ein großes gesundheitliches Risiko eingehen, mahnt der Experte.

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