Die Krebsmedizin der Zukunft: Welche Chancen sie bringt
"Das Leben mit Krebs ist ein ständiges Auf und Ab", schrieb Claudia Altmann-Pospischek, 44, kürzlich auf Facebook in ihrem Blog Claudias Cancer Challenge. "Eine blitzschnell dahinratternde Achterbahn, die nicht zum Stillstand kommt. Bremsen geht leider nicht. Man kann sich nur mit in die Kurve legen und sich mit dem Fahrtwind arrangieren."
Claudia Altmann erhielt 2013 die Diagnose fortgeschrittener (metastasierter) Brustkrebs. „Ich wurde sehr früh mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. "Ich möchte das, was ich durch meine Erkrankung gelernt habe, weitergeben und Zuversicht vermitteln. Es gibt heute viele gute Behandlungen – und hervorragende Ärzte."
Claudia Altmann-Pospischek ist auch Vorstandsmitglied des Brustkrebs-Patientinnen-Netzwerks Europa Donna: "Ich bin mir 2013 mit meiner Diagnose sehr einsam vorgekommen, sehr alleingelassen." Mit ihrem Blog und ihrer Arbeit bei Europa Donna porträtiert sie einerseits ihr Leben als metastasierte Brustkrebspatientin und schreibt über ihre Gedanken, Ängste und Wünsche: "Andererseits informiere ich über die Krankheit und biete Patientinnen, Angehörigen und Interessierten eine Plattform."
"Große Fortschritte"
"Die Krebstherapie hat in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte gemacht", ist auch Matthias Preusser, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie von MedUni / AKH Wien, zuversichtlich. Er ist einer der Podiumsgäste beim Gesundheitstalk zum Thema "Die Zukunft der Krebsmedizin" kommenden Mittwoch in Wien.
"Die großen Säulen der Krebstherapie – Chirurgie, Strahlentherapie und medikamentöse Therapie – haben sich stark weiterentwickelt."
Neue Ansätze
Drei Ansätze dominieren bei den Medikamenten:
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Zielgerichtete Therapien
In manchen Tumoren (z.B. einem Teil der Melanome, der Lungen- oder Dickdarmkarzinome) aktivieren bestimmte genetische Mutationen Signale, die das Wachstum der Krebszellen fördern. Diese Mutationen sind aber auch Achillessehnen, Schwachstellen, der Krebszellen. "Man kann ihre Wirkung gezielt blockieren", betont Preusser. Onkologen sprechen von "personalisierter Medizin": Bevor derartige Wirkstoffe eingesetzt werden, müssen die genetischen Eigenschaften des Tumors bestimmt werden. "Je nach Genmutation werden unterschiedliche Medikamente verabreicht."
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Immuntherapien
Krebszellen können die körpereigenen Abwehrzellen hemmen und sich vor ihnen tarnen, sodass sie nicht als fremd und als Angriffsziel erkannt werden. Neue Wirkstoffe lösen diese Bremsen des Immunsystems.
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Zelltherapien
Abwehrzellen von Krebspatienten werden im Labor genetisch so verändert, dass sie gegen den Krebs "scharf" gemacht werden und Krebszellen besonders gut erkennen können. Die CAR-T-Zelltherapie ist für den Einsatz bei Blutkrebs (bestimmte Leukämien und Lymphome) zugelassen. "Studien laufen bereits auch für Haut-, Lungen- oder Brustkrebs. Allerdings ist das Verfahren aufwendig, teuer, und nicht für jeden Patienten sinnvoll. Und man muss genau auf mögliche Nebenwirkungen achten."
Längere Lebenszeit
Bei vielen Patienten mit metastasiertem Melanom etwa ist es durch zielgerichtete Therapien gelungen, die durchschnittliche Überlebenszeit "von mehreren Monaten auf mehrere Jahre" zu verlängern. "Alle diese neuen Ansätze wirken derzeit aber nur bei einem Teil der Tumorformen und auch dann nur bei einem Teil der Patienten", betont Preusser. Aber: "Jedes Jahr gibt es Fortschritte, die man lange nicht für möglich gehalten hätte."
Viele Präparate sind teuer, Kosten von mehreren tausend Euro pro Monat keine Seltenheit: "Das wird eine große Herausforderung für die Gesellschaft. Aber wir können bei mehr und mehr Patienten die Lebensdauer verlängern und die Lebensqualität erhalten."
- 350-tausend Menschen in Österreich leben mit der Diagnose Krebs.
- 40-tausend Menschen erkranken in Österreich jährlich neu an Krebs.
- Über alle Krebsarten ist in den vergangenen 25 Jahren die durchschnittliche Überlebenszeit um rund 25 Prozent gestiegen.
- Lauf für die Forschung: Nach dem Gesundheitstalk findet am 5.10. im Wiener Alten AKH wieder der Krebsforschungslauf zur Unterstützung von Forschungsprojekten statt. Nähere Informationen auf www.meduniwien.ac.at/krebsforschungslauf.
Beispiel Brustkrebs: Den Tumor besser erkennbar machen
Es ist eine positive Nachricht der Universität Mailand: Die Zahl der Brustkrebs-Todesfälle wird 2019 in den EU-Ländern abnehmen. "Etwa 80 Prozent der Frauen können geheilt werden, trotzdem ist in den meisten Ländern der Welt Brustkrebs nach wie vor die häufigste Krebstodesursache der Frau", betont der Onkologe Richard Greil, Vorstand der Uni-Klinik für Innere Medizin III in Salzburg und Leiter des internationalen Krebsforschungszentrums SCRI (Salzburg Cancer Research Institute). Bei den schweren Verlaufsformen gebe es noch viel Forschungsbedarf.
Ende 2018 gab es den ersten Durchbruch mit den neuen Immuntherapien bei jener Brustkrebsform, die am schwierigsten zu behandeln ist ("Triple-Negativer-Brustkrebs", ca. 15 % aller Erkrankungen): Die Kombination von Chemotherapie und einem der neuen Medikamente, die die vom Tumor verursachte Lähmung des Immunsystems aufheben, zeigte eine sehr gute Wirkung.
Die nicht länger gehemmten Abwehrzellen können bei dieser Tumorform die Krebszellen durch spezielle Merkmale an ihrer Oberfläche auch gut erkennen: "Damit konnte die Lebenszeit im Durchschnitt um zehn Monate verlängert werden – im Vergleich zu einer Behandlung nur mit Chemotherapie. Das ist ein sehr großer Erfolg." Bei den anderen Brustkrebsformen ist die Wirkung der neuen Immuntherapien– im Vergleich etwa zu den Erfolgen bei Hautkrebs oder auch Lungenkrebs – bis jetzt noch nicht so gut.
Wenig Merkmale
Auch wenn die Bremsen der Abwehr durch die neuen Medikamente gelöst werden können: In den Brustkrebszellen gibt es (etwa im Gegensatz zum schwarzen Hautkrebs) sehr wenige genetisch bedingte Veränderungen der Eiweißstruktur. Damit aber bestehen für die Abwehrzellen wenig Erkennungsmerkmale (im Vergleich zu gesunden Zellen) und wenig Angriffsziele. "Wir erforschen jetzt in Studien eine Reihe von Ansätzen, wie wir diese Erkennbarkeit der Krebszellen für das Immunsystem verbessern können", erzählt Greil, der auch beim Gesundheitstalk am Mittwoch am Podium ist.
Etwa mit speziellen Molekülen, die die Antwort des Immunsystems auf den Tumor verstärken. Oder mit der Aktivierung von speziellen Signalketten, die Abwehrzellen in das Tumorgewebe hineinlocken. Oder mit einer Beeinflussung der Umgebung des Tumors. Greil organisierte im Sommer dazu auch einen internationalen Fachkongress in Salzburg. "Der Tumor kann an vielen Schaltstellen das Immunsystem unterdrücken." Das bedeutet für uns aber auch, dass es sehr viele Ansatzpunkte gibt, wo wir das Immunsystem auch wieder aktivieren können: "Wir haben in Salzburg eine große Zahl von Studien dazu laufen. Der Ausblick ist positiv: Die Geschwindigkeit der Forschung ist zum Glück sehr hoch."
Mehr aufklären über neue Therapien
300 Kinder erkranken jedes Jahr in Österreich neu an Krebs, am häufigsten ist die akute lymphatische Leukämie. "80 Prozent der Kinder sind nach der ersten Therapie geheilt", sagt Anita Kienesberger, Geschäftsführerin der Österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe. Sie ist ebenfalls beim Gesundheitstalk am 25.9. auf dem Podium.
Neue Therapien wie die Zelltherapien seien einerseits eine Hoffnung für manche Patienten, denen bisherige Behandlungen nicht ausreichend geholfen haben: "Das ist ein sehr positiver Fortschritt. Aber es braucht mehr Information und Aufklärung."
Denn es gebe auch Verunsicherung: "Einerseits sind die Erwartungen bei betroffenen Familien hoch, andererseits haben sie viele Fragen, etwa zu möglichen Langzeitfolgen, über die man noch wenig weiß." Aufklärung sei auch dazu notwendig, warum es solche hoch spezialisierte Therapien nur in wenigen Zentren geben wird: "Dadurch sind die Ergebnisse besser."
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