Das Leben eines Schiffskochs

Das Leben eines Schiffskochs
Seit 21 Jahren nennt er die Weltmeere sein zu Hause. Sieben Restaurants und 69 Mitarbeiter beaufsichtigt er. Willy Leitgeb lebt seinen Traum als Schiffskoch auf der MS Europa 2.

Freundlich und ruhig blickt der Chef durch die Küche. Hektisch geht es am am Vormittag zu. Die Öfen sind angeheizt, auf den Herdplatten stehen dampfende Töpfe. Es wird geschnippelt und gwalkt. In einer Ecke hängen Zettel mit Fotos von ganz speziellen Gästen. Notizen wie Veganer und Histamin-Intoleranz sind vermerkt. Wer in Klischees denkt, fühlt sich in den kühlen Räumlichkeiten im Bauch des Schiffes bestätigt. Es sind Überzeugungstäter: mit Muskeln bepackt, und mit Tätowierungen geschmückt. So hart die "Schiffsjungen", so weich und unscheinbar wirkt der Küchenchef. Dünn, klein, Brille. Schnellen Schrittes klappert er die Stationen in der Küche ab. Bei der Pastamaschine bleibt er stehen. Sie klemmt, der Chef muss ran. Der nächste Hafen wird erst in zwei Tagen angefahren, keine Zeit für die Suche nach einem Spezialisten.

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Irgendwann wurden ihm die Dolomiten zu eng, erzählt der 44-Jährige im Interview mit dem KURIER. "Bereits als Kind habe ich davon geträumt, Küchenchef auf einem Kreuzfahrtschiff zu werden." Willy Leitgeb lebt seinen Traum – seit 21 Jahren arbeitet der Südtiroler für die Reederei Hapag Lloyd. Und er kann sich keinen anderen Arbeitsplatz vorstellen. 2013 stach er mit der neu gebauten MS Europa 2 in See. Weiße Sandstrände und der Takt von Salsa und Rumba: Gerade machte das Schiff Station in Kuba. Es folgen Tahiti, Bora Bora und Fidschi.
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Immer die gleichen Strände, immer die gleiche Gäste-Kategorie – birgt das nicht Fadesse? Leitgeb verneint, jeder Tag bringt neue Herausforderungen. Mal fällt ein neuer Koch wegen Seekrankheit aus, mal hat ein anderer Liebeskummer, mal geht die Pastamaschine kaputt, mal wollen plötzlich alle das Trüffel-Risotto bestellen – und die Portionen reichen nicht aus.

Bei Notfall, Willy rufen

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Wenn der Executive Chef seinen Job beschreibt, spricht er von einer logistischen Hochleistung. Angefangen von Äpfeln bis Zitronenlimonade: Fast 4000 unterschiedliche Lebensmittel und Getränke lagern in drei Tiefkühlkammern und neun Kühlkammern auf 800 Quadratmetern. 20 Kilogramm Käse, 70 Kilogramm Reis, 71 Flaschen Champagner, 77 Flaschen Rotwein, 110 Flaschen Weißwein, 400 Kilogramm Fleisch, 1.400 Eier – benötigte Lebensmittel für nur einen Tag.
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Würde ein Fremder den Job von Willy Leitgeb beschreiben, dann wäre Listen-Schreiber die treffende Beschreibung. Die meiste Zeit sitzt er in seinem kleinen Büro in der Küche und liest die Bestellungen der Gäste vom Vortag, checkt die Lagerräume und vergleicht die Angebote der Händler in den Häfen. Der Warenwert übertrifft die Millionen-Grenze. Allein der Kaviar kostet so viel wie ein Einfamilienhaus in Österreich. "Diese werden zwei bis drei Monate im Voraus bestellt. In Deutschland werden die Waren in Container geladen und uns hinterher geschickt. Man sollte nichts vergessen und genau planen. Frische Produkte wie Obst, Gemüse und Frischfisch werden frisch vor Ort eingekauft."

Captain's-Dinner, Smoking und fixe Essenszeiten sind tabu

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Die MS Europa 2 ist nicht irgendein Dampfer: Die reichen Gäste sollen nicht das Gefühl haben, Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff zu machen. In Zahlen bedeutet das: 370 Crewmitglieder stehen 500 Gästen gegenüber. Captain's-Dinner, Smoking und fixe Essenszeiten sind tabu. Stattdessen wählen die Gäste, ob sie an dem einen Abend im französischen Restaurant Kaviar und Blinis speisen oder am nächsten Sashimi in der Sushi-Bar wählen. Seinen Arbeitsplatz durfte Leitgeb mitgestalten, alle sieben Restaurants plante der Küchenchef nach seinen eigenen Bedürfnissen. Alle Speisen tragen seine Handschrift.

Moden wie Süßkartoffel-Chips, vietnamesische Sommerrollen oder Matcha-Latte finden sich nicht auf den Speisekarten. Für die leidenschaftlichen Golfspieler – Trainingsbereich mit Videowall – Manager jenseits der 45 oder Pensionisten mit Rollator tischt der Südtiroler "Pommersches Rinderfilet auf Ragout vom Ochsenschwanz mit Paradeiser-Melanzani-Kompott und getrüffeltem Kartoffelschaum" auf. Ein bisschen Retro schadet nicht.

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Angesichts des Konzepts urteilte der Berlitz Cruise Guide 2016 "das beste Kreuzfahrtschiff der Welt" und vergab für den legeren Luxus zum dritten Mal in Folge die Höchstnote 5-Sterne-plus. So viele Punkte wie niemals ein Schiff zuvor. Für so viel Luxus müssen die Gäste tief in die Tasche greifen: Ein Tag kostet rund 700 Euro.

Die Pastamaschine funktioniert wieder. Leitgeb verlässt sein Büro und klappert alle Restaurants ab, sieht nach dem Rechten. Wie er so als Chef ist? Ein Mitarbeiter blickt sich scheu um: "Schon streng."

Die MS Europa 2 will "legeren Lifestyle" mit viel Haute Cuisine bieten. Französisch, Sushi oder italienisch: Sieben Restaurants und Begleitprogramm wie Kochkurse oder Verkostungen stehen zur Auswahl. Ein Preisbeispiel für das Jahr 2017: 14 Tage Seereise zwischen Bali - Hongkong, ab 7.890€, 05.02.2017 bis 21.02.2017. Die koreanisch-deutsche Sterneköchin Sarah Henke wird in einem Kochkurs die asiatische Küche näherbringen. Infos: www.hl-cruises.de

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