Franchising: So lernen Gastronomen von Jamie Olivers Fehlern
Jamie Oliver und Vapiano: Die beiden bekannten Franchise-Gastronomiebetriebe rutschten heuer in tiefrote Zahlen. Die Restaurants des britischen Star-Kochs werden von einem Masseverwalter gemanagt, das deutsche Unternehmen Vapiano hingegen musste bei einem Umsatz von rund 372 Millionen Euro einen Verlust von 101 Millionen im Jahr 2018 hinnehmen. Dies lag vor allem an hohen Abschreibungen und höheren Betriebskosten im Zuge der Expansion.
Die Wiener Neustädter Kaffee-Dynastie Schärf verkauft unter der Marke "Coffeeshop-Company" 50 Millionen Tassen Kaffee an mehr als 200 Standorten weltweit. 3.500 Mitarbeitern erwirtschaften rund 60 Millionen Euro Umsatz. Im Jahr 2012 startete die Familie mit dem Gastronomiekonzept the italian.
Nach Übergabe der Geschäftsführung an seinen Sohn ist Seniorchef Reinhold Schärf für Wachstum sowie für die Franchisemarke the italian zuständig. Im Interview mit dem KURIER gibt er Quereinsteigern und Franchise-Interessierten Tipps, worauf es bei diesem Geschäftsmodel ankommt.
KURIER: Früher hat man gesagt, wenn es woanders funktioniert, muss es bei uns auch funktionieren: Stimmt das?
Reinhold Schärf: Das kann man nicht verallgemeinern. Wenn ein Konzept gut durchdacht ist, kann man als System den Trend leichter umsetzen. Es ist sicher ein Ansatz, aber man muss die lokale Anwendbarkeit prüfen. Die Menschen reisen und sehen viel, oft muss man aber das Konzept an die lokalen Gegebenheiten adaptieren. Wir sagen immer: global denken, lokal lenken.
Zuletzt war der Zusammenbruch von Jamie Oliver ein großes Thema: Was hat er falsch gemacht?
Bei allen Franchisesystemen, nicht nur bei jenen, die nach außen einen starken Namen haben, muss man fragen, wie es dahinter aussieht. Ich weiß als Außenstehender nicht, wie stark sich Jamie Oliver im Hintergrund eingebracht hat. Nicht nur bei Jamie Oliver, auch bei rasch wachsenden Unternehmen wie Vapiano, gibt es einen klingenden Namen, aber im Hintergrund wird das Unternehmen strukturell vernachlässigt. Es gibt nur noch rasches Wachstum und keine Nachhaltigkeit.
Wie sehen solche Franchise-Verträge in Sachen Namensrechte überhaupt aus? Die Jamie-Oliver-Standorte in Österreich und Ungarn haben sofort gesagt, dass es keine Probleme gibt...
Unabhängig vom Imageschaden, was den Namen betrifft, greift normalerweise das Namensschutzrecht. Ich kann mir schon vorstellen, dass man vorübergehend weiterbestehen kann. Aber man braucht ein Headquarter, das für die Weiterentwicklung im System sorgt. Für mich ist der Fall nicht einzigartig: Ich hab das oft gesehen, wenn die Systeme wachsen. Ein System kann durchaus in einem Land funktionieren und in einem anderen nicht. Wenn die Länder eigene Unternehmen sind ohne Headquarter, bleibt für mich die Frage, wer entwickelt.
Wann wissen Gastronomen, dass ein Franchise-System für sie das Richtige ist?
Bei Franchising wird der Gastronom Teil einer Firma, es handelt sich um eine integrierte Partnerschaft. Auf der einen Seite wird er Teil einer Marke mit ihrer gesamten Geschichte. Es wird nicht alles vom Franchisegeber vorgegeben, man ist Familienmitglied. Auf der anderen Seite bedeutet das aber nicht, dass der Franchisenehmer weniger fachliche Kompetenz braucht. Gerade in den vergangenen Jahren fand hier ein Umdenken statt. Auch Quereinsteiger müssen die Gastronomie verstehen. Wenn jemand stark individuell denkt, ist es gescheiter, seine eigene Geschichte zu machen. Wenn jemand in der schnelllebigen Zeit lieber aus der Marke heraus mit einer hohen Schlagzahl auf Trends setzen will, dann ist er in der Gruppe besser aufgehoben.
Wie finden Sie den richtigen Franchisenehmer?
Das funktioniert wie in einem Unternehmen: Es hängt vom individuellen Konzept, vom Charakter und von den Fähigkeiten ab sowie, ob er ein Teamplayer ist. Die Auswahl der Franchisepartner muss sehr selektiv sein.
Wie gut sind die Interessenten vorbereitet? Worauf kommt es an?
Bevor wir mit Franchise begonnen haben, haben wir 60 Jahre lang Gastronomie betrieben. Für die Standort-Analyse geht die meiste Zeit drauf. Die richtige Standort-Frage wird oft zum Problem, wenn Unternehmen zu schnell wachsen, denn dann ist für die Standort-Wahl oft zu wenig Zeit. Ich sehe vier wichtige Punkte: Neben der Standort-Auswahl braucht es Verlässlichkeit. Ein System muss Kennziffern liefern können. Normalerweise dauert die Entwicklung drei bis fünf Jahre, bis man auf eine Expansion setzen und ein Franchisesystem aufbauen kann. Da man eine langfristige Bindung eingeht – die Verträge sind auf zehn Jahre bzw sogar mehr ausgelegt – muss der Franchisegeber zeigen können, dass es Innovationen bei Marke und System gibt. Und der Franchisenehmer braucht Geld. Viele Interessenten glauben, Franchising komme für sie günstiger. Ob ein eigenes Projekt in der Gastronomie oder innerhalb einer Marke, eine Einheit pro Quadratmeter kostet immer gleich viel Geld. Wenn man das alles bedacht hat, hat man das halbe Geschäft.
Und was sind die anderen 50 Prozent?
Der Betreiber. Wem traut man eine Betreiberqualität zu. Dann braucht es laufende Schulungen, anders geht es nicht. Es gibt keinen Trick: Wenn der Interessent nicht für das Business brennt und Leidenschaft für die Gastronomie mitbringt, dann kann er noch so viel Geld haben. Ohne Leidenschaft geht gar nichts in der Gastronomie. Es braucht sehr viel Vorlaufzeit. Man muss sich als Franchisegeber sehr viel antun, die richtigen Franchisenehmer zu finden. Ein falscher Franchisepartner kostet uns so viel wie fünf bis zehn Geschäfte bringen. Wie gesagt: Die Verträge laufen in der Regel zehn Jahre lang – dauern also oft länger als eine Ehe. Drum prüfet gut, wer sich ewig bindet.
Wie viel Geld braucht denn ein Gastro-Franchisenehmer?
Das hängt vom Standort und von den Investitionen ab: Oft sagen wir Interessenten ab, die selbst ganz fest an ihr Konzept glauben, weil es sich nicht rechnen wird. Generell lässt sich sagen, dass man 1.800 bis 2.000 Euro pro Quadratmeter braucht, damit das Lokal schlüsselfertig ist. Diese Summe hat aber nichts mit Franchising zu tun, so muss jeder Gastronom rechnen. Ein kleines Geschäftslokal braucht mehr pro Quadratmeter, ein großes kann man auf 1.500 Euro runter bringen. Für die Miete darf nur acht bis zehn Prozent des Umsatzes drauf gehen. Für Personalkosten muss man 24 bis 27 Prozent des Umsatzes rechnen, 23 bis 25 Prozent für den Wareneinsatz. Dann muss man sich fragen, ob man sich die Franchisgebühren leisten kann? Diese decken natürlich oft Kosten von Gestaltung der Menükarten bis zur Beratung ab. Wenn man diese Kennziffern nicht hat, sollte man besser die Finger davon lassen.
Haben Sie den Eindruck, dass die junge Generation zu solchen Kostenaufstellungen fähig ist?
Ganz ehrlich: Die Jungen, die eine Ausbildung genossen haben, können das viel besser als frühere Generationen.
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