Ein Kofferraum voll Natursauerteig – das klingt wie eine Anekdote aus vergangenen Tagen. Bevor die Industrie mit Fertigbackmischungen in ÖsterreichsBackstuben Einzug hielt, umsorgten die Bäcker ihren Sauerteig bei Tag und Nacht und nahmen ihn auch sonntags auf die Landpartie mit. Nur so konnten sie ihn hegen und pflegen. Noch heute gibt es die Brotberufenen, die für ihr Handwerk leben.
So bezeichnet Slow-Food-Bäcker Erich Kasses seine 20 Natursauerteige liebevoll als seine ‚Haustiere‘: "Als ich mit 22 Jahren zur Meisterprüfung angetreten bin, musste ich nicht wissen, wie man einen Natursauerteig führt, sondern wie viel industrielles Säuerungsmittel auf ein Kilogramm Mehl kommt."
Das ist eine von vielen Geschichten, die Barbara van Melle in ihrem neuen Buch "Der Duft von frischem Brot" erzählt. Die Sprecherin von "Slow Food Austria" reiste durch Österreich und porträtierte zwölf Bäcker, die das alte Handwerk so ausüben wie Generationen vor ihnen: "Zuletzt hat das Thema wegen der sogenannten Backbox im Supermarkt an Brisanz erfahren.
Es ist eine Tatsache, dass die Bäcker zusperren. Deswegen wollte ich mir jene ansehen, die innovative Strategien haben, um im Preiskampf zu überleben." (Lesen Sie den Artikel unter der Bildergalerie weiter.)
Ein Blick auf die Zahlen sagt alles: Jedes Jahr sperren zwischen 30 und 50 Bäckerbetriebe zu. Im Jahr 1965 erlernten noch 3255 Lehrlinge das Handwerk, 2013 entschieden sich nur 998 für den Brotberuf. Noch schockierender sind die Zahlen für die Bundeshauptstadt: Nach dem Zweiten Weltkrieg versorgten 700 Bäcker die Wiener, heute halten nur noch 25 Familienbetriebe die österreichische Brottradition am Leben.
Mit der Einführung der Backboxen haben die Supermärkte gezeigt, dass ihr frisch aufgebackenes Brot gar nicht schlecht schmeckt: "Die Industrie hat ihre Aufgaben gemacht. Der Großteil der Bäcker hat das Problem, dass ihre Produkte nicht anders schmecken als jene der Industrie. Aber warum sollte man zum Bäcker gehen und mehr zahlen, wenn ich im Supermarkt den gleichen Geschmack billiger bekomme?" Für die Autorin steht es für die backende Zunft daher nicht fünf vor 12, sondern fünf nach 12: "Der Glykol-Skandal war für die Winzer in den Achtzigern ein großes Geschenk – ohne ihn hätte der österreichische Wein nie einen Aufschwung erlebt. Die Industrialisierung der 60er und 70er hat den Bäckern das Leben erleichtert. Aber ich will in meinem Brot keine zugesetzten Enzyme haben und ich muss nicht erklären, warum ich das nicht will. Nicht nur der Konsument muss umdenken, auch die Bäcker müssen es."
Neubackenes Image
Zaghaft etabliert sich eine neue Generation von Bäckern, die wissen, wie sie sich inszenieren müssen, und eine ähnliche Entwicklung anstreben, die von den Köchen im vergangenen Jahrzehnt vorgelebt wurde. In Wien zeigen derzeit drei Betriebe, wie sie Hipsters und Hofratswitwen gleichermaßen anfüttern: Mitte September eröffnete Joseph Brot seine dritte Filiale. Neben seinem Roggen-Honig-Lavendel-Krustenbrot verkauft Josef Weghaupt in Döbling erstmals seine speziellen Backmischungen und auch frischen Sauerteig für zu Hause. Die Idee dahinter: Do it yourself ohne Geschmacksverstärker.
Der Oberösterreicher Helmut Gragger setzt ebenfalls auf meisterliche Inszenierung: Mitten im Laden, nahe der Albertina, steht der eigens gebaute Holzbackofen. Die Kunden beobachten, wie die frischen Semmerl und Baguettes in die Hitze geschoben werden. Sie sehen, riechen und spüren das Handwerk. Und bei den noblen Damen der Wiener Innenstadt kommt der blonde Hüne mit blauen Augen und breitem Oberösterreichisch auch nicht schlecht an.
Nicht nur kleine Backstuben zeigen stolz das Handwerk und verzichten auf Hilfsmittel und Tricksereien. 1500 Beschäftigte arbeiten für den Wiener Bäckermeister Gerhard Ströck: "Wenn man so groß ist, nehmen einem die Leute das Handwerk nicht mehr ab." Dabei verbannte er bereits in den 1990ern Ascorbinsäure, die für eine bessere Kleberqualität sorgt und Margarine aus seinen Produkten: "Wir wollten unseren Kunden etwas geben, was sie nicht mehr kannten. Ihnen zeigen, dass es wie zu Hause schmecken kann, wie bei der Oma." Es folgten zahlreiche Innovationen: So engagierte sich Ströck für die Bio-Bewegung, lange bevor diese en vogue war. Seit einigen Jahren bezieht die Firma ausschließlich klimafreundlichen Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Seine Söhne Philipp und Christoph kämpfen an seiner Seite: Letzterer entwickelte als Gastronom und Koch das Konzept "Ströck Feierabend" (siehe Foto unten). Untertags ein Bistro und eine Bäckerei mit Take-away, abends ein hippes Restaurant.
Ein Hotel für Sauerteig
Der wichtigste Faktor für ein gutes Brot ist Zeit. Aber genau das fehlt bei niedrig kalkulierten Preisen im Supermarkt. Das Österreichische Lebensmittelbuch macht dazu nur eine einzige Vorgabe: Für eine Semmel sind zwei Stunden Teigführung vorgesehen. Dabei gibt erst diese dem Gebäck Geschmack. Van Melle: "Brot wird nun mal nicht in zwei Stunden gemacht. Ich backe schon seit Jahren jedes Wochenende einen Striezel. Seitdem ich den Teig länger führe und ihn über Nacht in den Kühlschrank stelle, bleibt der Striezel saftig und hält zudem länger. Es stimmt, Germteig verträgt keinen Zug, aber dass er Kälte nicht verträgt, ist Unfug." Der Tiroler Christian Ruetz ist Meister der Teigführung: Er gibt seinen Teigen zwischen 35 und 40 Stunden Zeit. Für Berufstätige sind solche Spielereien oder das Ansetzen von Sauerteig schwer zu schaffen.
Aus diesem Grund haben sich die Brot-narrischen Schweden etwas überlegt: Die BäckereiRC Chocolat eröffnete ein 24-Stunden-Hotel für Sauerteige. Die Unterbringung kostet rund 11 Euro pro Woche. So verrückt es klingen mag, die Idee ist nicht neu: Es handelt sich bereits um das zweite Hotel dieser Art im Land des Knäckebrots.
2. Bis auf die Rosinen alle Zutaten in der Küchenmaschine 4 Minuten mischen, 8 Minuten schnell kneten.
3. Die abgetropfte Rosinen hinzufügen und nochmals 2 Minuten kneten.
4. Teig abdecken und 45 Minuten bei Raumtemperatur ruhen lassen.
5. Auf einem bemehlten Brett den Teig halbieren und in zwei runde Laibe formen. Auf ein Backbleck mit Backpapier legen. Mindestens 45 Minuten ruhen lassen.
6. Mit dem Ei-Milch-Gemisch den Teig bestreichen. 5 Minuten trocknen lassen.
7. Backrohr auf 180 Grad vorheizen. Brote 30 Minuten backen. Zum Abkühlen sofort auf ein Gitterrost legen.
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