Ab 2019: Farbskala soll beim Lebensmittel-Einkauf helfen
Seit Jahren wird das Thema heftig diskutiert: Eine Ampelkennzeichnung auf der Vorderseite von Lebensmitteln, wo „Grün“ etwa für einen niedrigen und „Rot“ für einen hohen Fett- und Zuckergehalt steht. 2019 wird jetzt erstmals in Österreich ein großer Produzent schrittweise ein derartiges System einführen: Danone wird alle Lebensmittel mit einer fünfstufigen Farbskala auszeichnen – von dunkelgrün bis dunkelrot.
Bisher gibt es in Europa zwei freiwillige, unabhängige Systeme mit Ampelfarben: Ein Ampel-Logo in Großbritannien, das allgemein für Fett, für gesättigtes Fett, für Zucker und Salz je eine Farbe (grün, orange oder rot) vergibt, also insgesamt vier Kategorien pro Produkt. Und den französischen Nutri-Score, der mit einer von fünf Farbstufen (und einem Buchstaben von A bis E) eine Gesamtbewertung eines Produkts durchführt, ohne auf einzelne Nährstoffe (wie Fett, Salz und Zucker) einzugehen. In Frankreich wird dieses System offiziell empfohlen.
Mehr Transparenz
Karim Chaouch, Danone-Geschäftsführer für Österreich, Schweiz und Slowenien erklärt: „Die Kennzeichnung macht den Nährwert eines Produktes auf einen Blick erkennbar. Und Rot heißt ja nicht, dass man ein Produkt nicht essen soll. Es geht nicht um Gut und Böse, sondern um mehr und weniger. Man soll sich sein Ernährungsverhalten bewusst machen: Was esse ich täglich? Mit Transparenz wollen wir den Konsumenten eine Entscheidungsmöglichkeit geben.“
Danone wird kein Produkt in der dunkelroten Kategorie E haben, aber Produkte in der Kategorie D – etwa das Dessert „Danone Twix Mix“. Damit ist es laut den Firmenrichtlinien „für den gelegentlichen Verzehr“ geeignet. Das Naturjoghurt „Activia Natur 3,5 %“ hingegen bekommt ein B – und die Einstufung „für täglichen Verzehr geeignet“.
In Frankreich haben bereits 85 Industrie- und Handelsunternehmen den Nutri-Score auf ihren Produkten: „Es gibt unabhängige Untersuchungen, dass diese Kennzeichnung zu einem gesünderen Einkaufsverhalten führt – mehr als andere Systeme“, sagt Chaouch.
„Gut aufbereitet“
„Ich begrüße die Einführung des Nutri-Score in Österreich sehr“, sagt dazu Prim. Friedrich Hoppichler, Präsident der Österreichischen Adipositasgesellschaft. „Das System ist gut aufbereitet, klar und übersichtlich. Mit den derzeitigen Kennzeichnungssystemen ist es für den Durchschnittskonsumenten nicht möglich, sich einen raschen Überblick zu verschaffen. Und sozioökonomisch schwächere Bevölkerungsgruppen haben keine Chance, diese zu verstehen.“ Die derzeitigen Angaben seien „gut für Ernährungswissenschaftler, Diätologen und Menschen, die sehr viel Zeit haben. Wir brauchen aber klare Informationen auf der Vorderseite der Packungen.“
Die Ernährungswissenschaftlerin Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) findet es „generell gut, dass durch diesen Vorstoß einer Firma die Diskussion um eine Ampelkennzeichnung in Bewegung kommt“. Eine industrieunabhängige, vereinfachte farbliche Kennzeichnung sei für die Verbraucher enorm wichtig: „International gibt es aber mehrere Systeme. Große Verbraucherstudien darüber, welches System die Konsumenten am besten verstehen, welches das Einkaufsverhalten am nachhaltigsten positiv verändert und Firmen am ehesten dazu bringt, ihre Rezepturen zu verändern, fehlen aber noch.“
Nachrechnen unmöglich
Und Beck fehlt es auch an Transparenz: Bei Nutri-Score etwa sei es für den Einzelnen fast unmöglich, selbst eine Bewertung nachzurechnen. Denn die dafür notwendigen Angaben – etwa der exakte Obst- und Gemüsegehalt – seien nicht verpflichtend auf den Packungen angegeben. Ein Ampelsystem sei trotzdem unumgänglich, betont Beck: „Die derzeitige Nährwertkennzeichnung ist ein Zahlenfriedhof, mit dem ein Laie nichts anfangen kann.“
Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich, weist die Kritik zurück: „Die derzeitige verpflichtend vorgeschriebene Nährwerttabelle ermöglicht einen guten Vergleich zwischen einzelnen Produkten.“
Auch die Kaloriendichte – „und die ist entscheidend“ – sei immer pro 100 Gramm oder pro 100 Milliliter angegeben. Ampelsysteme wie in Großbritannien oder Frankreich seien „wertende Systeme, die Produkte aufgrund ihrer Zusammensetzung in gute und schlechte einteilen. Deshalb kann so eine Ampel rasch ein Irrlicht statt ein Leuchtturm sein und Verbraucher auf die falsche Fährte führen.“ Auch in der Ernährungspyramide hätten alle Lebensmittel Platz, „es geht immer nur um die Menge und die Häufigkeit des Verzehrs“.
Nicht individuell
Auch individuelle Unterschiede und Ansprüche an den Nährstoffbedarf würden im Ampelsystem nicht berücksichtigt – „ob man etwa gerade für einen Marathon trainiert oder keinen Sport macht, im Büro arbeitet, alt oder jung ist“. Deshalb stehe die Wirtschaft Ampelsystemen kritisch gegenüber, sagt Koßdorff. Eine wichtige Maßnahme hingegen wäre, im Unterricht dem Thema Ernährung mehr Raum zu geben.
Im Gesundheitsministerium heißt es, dass man „derzeit die europäischen Systeme hinsichtlich Nutzen und Vorteilen für den Konsumenten beobachtet“. Eine eigene Initiative im Bereich Nährwertkennzeichnung sei vorerst nicht geplant. Die EU-Kommission will 2019 aber einen Bericht zu unterschiedlichen Systemen der Nährwertkennzeichnung vorlegen. Bei der Bewegungs- und Ernährungskampagne „Mach den ersten Schritt“ von Gesundheits- und Sportministerium soll auch der Umgang mit fett-, zucker- und salzhältigen Lebensmitteln thematisiert werden.
Mehr Übergewichtige
Stoffwechselexperte Hoppichler sieht in der Diskussion um verschiedene Ampelsysteme „einen Aufruf an die EU für eine einheitliche Regelung“. „Jede Art von Kennzeichnung, die einfach ist und schnell und klar eine Übersicht schafft, ist eine Hilfe.“ Für die Weltgesundheitsorganisation sei starkes Übergewicht mittlerweile das größte globale Gesundheitsproblem: „Und es hat einen wesentlichen Anteil daran, dass in den USA die Lebenserwartung sinkt.“ Eine klare Lebensmittelkennzeichnung sei eine wichtige Maßnahme gegen die Übergewichtsepidemie.
In Österreich sind 32 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren übergewichtig, 14 Prozent krankhaft übergewichtig (adipös). Männer sind häufiger betroffen als Frauen (55% versus 39 %). „Und diese Prozentsätze steigen weiter an.“
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