Ins gemachte Nest gelegt: Wie Wildvögel ihre Brutstätten bauen
Hühner im Freilauf legen ihre Eier möglichst versteckt ab; mal da, mal dort, Hauptsache sicher vor Fressfeinden. Im Stall schätzen die Nutztiere weiche Einstreu wie Heu und ein Gipsei als Platzanzeiger. Ein Nest, wie der Osterhase es dem Brauch nach für die bemalten Gaben verwendet, gehört nicht zu ihrem Programm.
Doch auch der fabelhafte Meister Lampe kann nicht mit den wahren Künstlern im Nestbau mithalten. Die Spitzenarchitekten sind in der bunten Welt der Wildvögel zu Hause. Das weiß allen voran Hans-Martin Berg. Der Vogelexperte im Naturhistorischen Museum Wien hat auch den Überblick über die rund 1.000 Nester in der Sammlung. Das größte hier ist ein Seeadlerhorst mit zwei Metern Durchmesser; schwere Äste inklusive. Kronprinz Rudolf schoss kurz vor seinem Selbstmord 1889 Greifvögel, die heute das Exponat dekorieren. Das sweetest home am Ring stammt von einem Kolibri. Er bebrütet Eier im Tick-Tack-Format.
Fragil
„Nester sind ein fragiles Material, die ältesten Stücke bei uns gehen auf das frühe 19. Jahrhundert zurück“, sagt Berg. Konkret nennt der Biologe das kompakte Bechernest einer Prachtelfe aus 1817, das der bekannte österreichische Naturforscher Johann Natterer von seiner Brasilienexpedition mitgebracht hat. Der gefiederte Winzling mit dem orangen Kamm verarbeitete dafür grüne und weißliche Flechten sowie Seidenfäden von Spinnen.
In Sachen ausgefallener Materialien schießt der Pirol, Sommergast in Österreich, den Vogel ab: Er flicht mitunter Papier und zufällig – wie in der Literatur beschrieben – Geldscheine in seine Behausung.
„Die Nestersammlung ist noch kaum bearbeitet“, sagt Berg. Ein Großteil des „ungehobenen Schatzes“ wartet im Tiefspeicher darauf, entstaubt zu werden. Besonders wertvoll ist das Erbe des österreichischen Präparators Andreas Reischek. Der Forschungsreisende rettete 1887 u. a. den Südinsel-Piopio samt Nest für die Nachwelt. Der unscheinbare Singvogel gilt heute als ausgestorben. Sein flacher Moosbau aus Neuseeland liegt nun im Tresor in Wien – neben anderen Zeugen einstiger Artenvielfalt.
„Nur wenige Vögel wie der Trottellumme und Ziegenmelker machen gar keine Nester“, sagt der Experte. Andere dagegen treiben enormen Aufwand für ein gemütliches Zuhause. Töpfervögel etwa spachteln Lehm in wochenlanger Packerei zu einer spektakulären Kugel mit ausgepolsterter Brutkammer und Seiteneingang. Die Anstrengung für das gefiederte Leichtgewicht ist enorm, sein Häuschen wiegt zuletzt bis zu vier Kilo.
Nestersammlung
Die Nestersammlung im Naturhistorischen Museum Wien, NHM, macht mit rund 1.000 Objekten einen kleinen Teil der Vogelsammlung aus. Das Gebiet ist wenig erforscht.
Vogelsammlung
Die Vogelsammlung im NHM umfasst insgesamt 130.000 Stücke, 100.000 davon sind Vogelbälge (abgezogene Tierhäute mit Federn). Sie ist die einzige öffentliche Forschungsinstitution in Österreich, die sich ausschließlich dieser Tiergruppe widmet. Die Bestände sind international anerkannt.
Flauschig
Exklusiv werken auch die heimischen Beutelmeisen, die nur dem Namen nach Meisen sind. Die Männchen mit der schwarzen Maske hängen flauschige, runde Körbchen aus Samenwolle und Pflanzenfasern an Äste und versuchen damit, ein Weibchen zu beeindrucken. Findet sich keine Braut, bleibt das architektonische Meisterwerk unvollendet.
Apropos Braut: Die paradiesischen Rhinozeroshornvögel sind Baumbrüter. Die werdende Mutter nützt für ihr Gelege eine natürliche Höhle, die sie bis auf einen schmalen Versorgungsspalt zumauert. Auch solch ein Baumstamm mit zwei Altvögeln – vermutlich aus Java, 1830er-Jahren – findet sich in einer Schauvitrine im Naturhistorischen Museum.
„Unsere Nestersammlung war nie ein Schwerpunkt wie in anderen Museen. Aber unsere Objekte aus aller Welt sind gut erhalten“, sagt Hans-Martin Berg. Prinzipiell stellten diese einen wesentlichen Bestandteil zur Dokumentation eines Vogellebens dar. Für die Nester des Osterhasen gibt es freilich keinen Nachweis.
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