Ein Sommer der Liebe mit Exzess und ohne Hemmungen

Ein Sommer der Liebe mit Exzess und ohne Hemmungen
Nach langer Einsamkeit während Corona hoffen viele auf einen "Summer of Love". Diesen gab es schon für Hippies und Raver.

Wenn die Delta-Variante des Coronavirus nicht noch mehr dazwischenfunkt, könnte das ein durch und durch heißer Sommer werden. Das Hoffen zumindest noch einige. Wie berichtet, steigt mit fortschreitendem Impftempo bei Jungen auch der Hunger nach Flirts, Dates und Gelegenheitssex. Viele sehnen sich nach Monaten der Einsamkeit nach Zweisamkeit. Da wird schon der Sommer der Liebe ausgerufen. Wenn der wirklich eintreten sollte - wofür man noch nicht die Hand ins Feuer legen sollte - wäre dies der dritte "Summer of Love".

Der erste markierte den Höhepunkt der Hippie-Ära im Jahr 1967 (wer auf Woodstock 1969 getippt hat, liegt falsch). "Ihre Vorbilder sind Christus und Buddha, der heilige Franz von Assisi und Mahatma Gandhi. Ihr Mekka ist der Stadtteil Haight-Ashbury ("Hashbry") in San Francisco, wo allein 10 000 Hippies leben und wo in diesen Wochen 100 000 Hippies aus allen Teilen der USA den »Sommer der Liebe« feiern", schrieb der Spiegel im August 1967.

Rausch-Reise

Für die Jungen hatte das Magazin aber wenig Liebe übrig: "Es sind Teens und Twens mit langen, zottigen Haaren. Wie Europas Gammler verabscheuen sie Wasser, Seife und Bürgertum. Mit Vorliebe begeben sie sich auf eine Rausch-Reise in ferne und irreal schöne Welten."

 

Ein Sommer der Liebe mit Exzess und ohne Hemmungen

Sommer der Liebe 1967. Hippies im Golden Gate Park in San Francisco.

Begonnen hat der Sommer eigentlich schon am 14.Jänner mit dem Happening "Human Be-In" im Golden Gate Park in St. Francisco. Rund 30.000 Menschen kamen. Der LSD-Apologet Timothy Leary propagierte den Ausstieg aus der traditionellen Gesellschaft mit den Worten: "Turn On, Tune In, Drop Out". "Learys Ausspruch wird zum kategorischen Imperativ der Hippiegemeinde. Nimm LSD, schalt dich ein und gib dich dem Rausch und auch der freien Liebe hin", berichtet Deutschlandfunk Kultur. Da verwundert es auch nicht, dass Jefferson Airplanes Hit „Somebody To Love“ 1967 zu einer der beliebtesten Hippiehymnen wurde.

Ein Sommer der Liebe mit Exzess und ohne Hemmungen

Der Psychologe und Autor Timothy Leary propagierte lautstark seine Vorliebe für LSD.

Nach dem "Human Be-In" gab es kein Halten mehr. Aus den ganzen USA strömten die Blumenkinder nach San Francisco, besonders in den Stadtteil Haight-Ashbury, der schon seit einiger Zeit als das Epizentrum des Hippietums galt. Viele suchten Rausch, schnellen Sex. Die Welt verbessern war da wohl nicht mehr das Wichtigste.

Nicht weit von der Stadt entfernt, stieg auch ein Festival, das als kultureller Höhepunkt des Summers of Love gilt: das Montery International Pop Festival. Und da sang Scott McKenzie noch einmal seine Hymne, bevor der Sommer an Hitze verlor. 

Die Hippies, die sich bewusst für ein Leben als Aussteiger entschieden hatten, konnten mit den Entwicklungen nichts mehr anfangen. "Am 6. Oktober 1967 trug eine Gruppe von ihnen einen Sarg, gefüllt mit Blumen, durch die Straßen des Haight-Ashbury-Viertels und ließ ihn schließlich in Flammen aufgehen", schreibt der BR. "Death of Hippie", "Tod der Hippie"-Bewegung nannten sie diese Aktion. Und damit wurde auch der Summer of Love symbolisch zu Grabe getragen.

Ecstasy, Smileys, House

Bunt und exzessiv war dann auch der "Second Summer of Love", der 1988 einsetzte und bis 1989 dauern sollte. In England frönten auf einmal unzählige junge Menschen (vielfach mit Smiley-T-Shirts) dem langen Tanzen zu Acid-House oder Hip House. Angetrieben wurden sie von einer neuen Droge. 

Eine kleine Pille namens Ecstasy war plötzlich in vieler Munde. 1988 war das Jahr, wo die britische Jugend herausfand: "how to turn on, tune in and drop one", erklärt das mixmag.  Plötzlich war stundenlanges Feiern kein Privileg für wenige, es wurde zu einer Massenbewegung. Viele stiegen für ein Wochenende aus der Realität der Thatcher-Ära. Neben angesagten Discos wie der Hacienda in Manchester tanzte die Raver auch in dunklen Kellern, auf illegalen Partys in Lagerhallen oder auf dem Feld. Bilder von schwitzenden jungen Menschen beim Tanzen mit  substanzinduziert weit aufgerissenen Augen waren in den Medien auf der britischen Insel plötzlich allgegenwärtig. 

Vor allem die Boulevard-Presse hatte eine ambivalente Haltung zur neuen Bewegung. Zuerst feierte sie den neuen, bunten Style und die Mode der jungen Menschen und deren Lebenslust, später ging sie mit dem exzessiven Ecstasy-Gebrauch hart ins Gericht. Premierministerin Margaret Thatcher wollte die Partys verbieten lassen.

Neue Mode verhindern

Sie wollte laut Factmag wissen, welche Möglichkeiten es für die Polizei gebe, dem Treiben Einhalt zu gebieten. "Das ist eine neue Mode, wir müssen darauf vorbereitet sein und idealerweise verhindern, dass es durchstartet", schrieb sie 1989 an einen Parlamentarier, der ihr sein Leid über eine riesige Party in seinem Landkreis klagte. Eine Regierungsvertreterin vermerkte zum Verbotsversuch: "Drogen sind nicht das Hauptproblem, es ist die Lärmbelästigung." Ja, der zweite Sommer der Liebe war auch laut. Ein paar Jahre später, 1994, beschlossen Thatchers Nachfolger dann tatsächlich ein restriktives Gesetz, das der  Polizei mehr Befugnisse bei der Auflösung illegaler Raves gab. 

Angestoßen wurde die Bewegung auf einer anderen Insel. DJ Paul Oakenfold und seine Freunde verbrachten ihren Sommer 1987 auf Ibiza. In den dortigen Discos lernten sie die Spielarten von House und Ecstasy kennen. Nach dem Urlaub nahmen sie die neuen Errungenschaften über den Ärmelkanal mit, die sich dann rasant verbreiten sollten.

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