Mitten durch. Rauschende, tosende, sprühende Naturgewalt. Welche Stadt hat das sonst noch, einen gut 300 Meter langen, oder besser eigentlich tiefen, Wasserfall direkt im Zentrum? Das ist uneingeschränkt spektakulär und klingt doch ziemlich einzigartig. Tatsächlich tut man Bad Gastein unrecht, wenn man es immer mit anderen Städten vergleicht. „Monte Carlo der Alpen“, als der internationale Jetset hier abstieg, gekrönte Häupter, Künstler, Wissenschaftler. „Manhattan im Gebirge“ gab’s auch schon, „Berlin der Berge“ heißt es neuerdings, womit auf die wachsende Künstler- und Hipster-Szene angespielt wird, die man hier auf 1.000 Metern Seehöhe nicht wirklich vermuten würde. Wobei: Es stimmt natürlich. Alles. Und irgendwie hängt es auch zusammen, der frühe Ruhm, der neue Chic UND die dramatische Einzigartigkeit. Denn der Charme der schmalen Gassen, die Wucht des Wassers und die prachtvollen Belle-Epoque-Bauten, die dort emporragen, wo man eher blumengeschmückte Holzbalkone vermuten würde, ziehen tatsächlich seit einigen Jahren Künstler und Auskenner gleichermaßen an.
Die Hamburgerin Andrea von Goetz und Schwanenfliess hatte mit ihrem Festival Sommer.Frische.Kunst, das seit mehr als zehn Jahren dutzende Kunstschaffende den Sommer über nach Gastein bringt, gehörigen Anteil an der Gasteiner Renaissance. Ebenso wie die waschechte Gasteinerin Evelyn Ikrath, die ihr Elternhaus, das „Haus Hirt“, zu einem unwiderstehlichen Hideway für Familien und Bohemiens gleichermaßen umgestaltet hat. Genau hier hat übrigens Thomas Mann Urlaub gemacht, ebenso wie William Somerset Maugham und Stefan Zweig, eine umfangreiche Bibliothek mit dicken Ledersesseln zollt den Literaten im zeitgemäßen Designer-Hotel Respekt. Genau diese Verknüpfung zwischen alter und neuer Kreativität ist es, die nach und nach immer mehr innovative Köpfe aus den Großstädten Europas in den kleinen Kurort im Salzburger Pongau gebracht hat. Und so lässt heute das Innenleben altehrwürdiger Häuser an Designer-Hotels in London oder – eben – Berlin denken. Wobei sie durchs Einbeziehen alpiner Formen und Traditionen dennoch ihren Charakter bewahren. Das Hotel „Regina“ etwa, das sogar ein Programmkino beherbergt, oder auch das „Waldhaus Rudolfshöhe“, aus dem zwei Berliner ein echtes Schmuckstück gemacht haben, dazu gibt's mit den „Blonde Beans“, dem „Kraftwerk Café“ und „Betty's Bar“ mittlerweile auch astreine Hipstertreffs.
Und: Die Großen ziehen nach. Die südamerikanische Kette „Selina“, die bisher in Hamburg, München und Berlin für Aufsehen sorgte, hat das altehrwürdige Hotel Weismayr übernommen. „Das Schider“ hat mittlerweile neu eröffnet, ebenso wie der Gasthof Gamskar. Bis 2023 will eine Münchner Investorengruppe die Prunkstücke am zen-tralen Straubingerplatz, das Grand Hotel Straubinger, das Badeschloss und das alte Postamt umbauen und neu eröffnen.
Musik liegt in der Luft
Goldgräberstimmung? Vielleicht ein wenig, aber daran ist das Gasteinertal gewöhnt. Im wahrsten Sinn des Wortes: Immerhin war es über Jahrhunderte eine der wichtigsten Quellen für den Wohlstand der gesamten Region. Das Gold aus den Flüssen, vor allem aber aus dem Radhausberg bei Böckstein. Dort findet man neben einer hübschen Burg und dem ältesten Gusseisenbrunnen Europas auch ein höchst interessantes Museum zum Thema Bergbau. Nur einer der vielen Ausflüge, die sich im Gasteinertal geradezu aufdrängen. Denn auch das ist eine Besonderheit der Region: Die physische Enge in dem von Bergriesen gesäumten Tal, das bis vor 45 Jahren nur über eine schwindelerregende Klammstraße erreichbar war, ist praktisch nicht spürbar. Nur wenige Kilometer und man ist in Sportgastein auf dem Nassfeld mit seinen rustikalen Almen, wohin die Einheimischen selbst seit Generationen ihre Familienausflüge führen. Heute bieten die hochgelegenen Almen auch kulinarische Höhenflüge an, mit selbst gemachtem Mozzarella, Schaf- und Berg-Käsen. Kultur? Quasi überall, neben der Sommer.Frische, die das Kraftwerk ebenso wie die Kaiser-Willhelm-Promenade bespielt, gibt es im gesamten Tal – und auf vielen Gipfeln – Musik zwischen Klassik und Jazz. Immerhin hat Schubert hier eine Klaviersonate und vielleicht sogar eine ganze Sinfonie komponiert. Arturo Toscanini war gerne hier, genau wie Robert Stolz, der frühere Minnesänger Neidhard von Reuental („Die Graserin in der Gastein“, 1230) ebenso wie der späte Falco. Kult-Star Friedrich Liechtenstein widmete Bad Gastein vor ein paar Jahren eine hervorragende CD. Bella Italia & MeeresrauschenAm Eingang zum Tal liegt Dorfgastein, die kleinste Gemeinde, deren aktuell größte Tochter diesen Sommer in Salzburg auf der Festspielbühne steht: Verena Altenberger.
Die mittelalterliche Burg Klammstein ist hier und die „Entrische Kirche“, mit zweieinhalb Kilometern Länge die größte Naturhöhle der Salzburger Zentralalpen. Entrisch bedeutet im Bayrisch-Salzburgischen „unheimlich“, und die hohen Hallen und Tropfsteingänge lassen einem durchaus einen Schauer über den Rücken laufen. Vielleicht auch die Temperatur von konstant 6 Grad.
Und dann ist da noch die geheime Metropole Bad Hofgastein, wo sich in den letzten Jahren ebenfalls viel getan hat, nicht nur weil Winnie Brugger die Küche im durchaus spannend ausgebauten „Hotel Blü“ führt. Direkt im Ortszentrum kann man authentisches Italien-Flair erleben, wenn man sich von Chef Luca in seinem „Pane e Vino“ mit Köstlichkeiten verwöhnen lässt. Oder mit erstklassiger Pizza. Immerhin wurde sein Bruder in San Severo zum Pizza-Weltmeister gekürt. Bodenständiges findet man allerorts, besonders gut und bio am Schmaranz-Hof gleich außerhalb von Hofgastein. Hier wird auch ein ausgezeichnetes Bier gebraut.
Anstoßen lässt es sich abends dann in „Betty’s Bar“ oder auf der Terrasse des „Miramonte“, wo das Rauschen des Wasserfalls einen ein wenig an die Meeresbrandung in Kreta erinnert. Genau, das ist es: „Kreta des Gebirges“ hatten wir noch nicht!
… die CD „Bad Gastein“ von Friedrich Liechtenstein. Die grandiose Elektroscheibe dreht sich komplett um den Lieblingsort des Musikers.
… „Die Wasserfallfinsternis von Badgastein“ von Hermann Burger.
Mit diesem Werk gewann der Autor 1985 den Bachmann-Preis und die uneingeschränkte Begeisterung von Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki.
… Wanderschuhe UND was Schickes. Für die vielen Konzerte, Ausstellungen – und einen gepflegten abendlichen Cocktail.
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