Nancy: Herzog für einen Tag

Der Place Stanislas in Nancy, Frankreich, mit Menschen und kunstvollen goldenen Toren.
Vor allem als Hauptstadt der Herzöge von Lothringen bekannt, ist Nancy auch für den französischen Jugendstil bedeutend. Architektur und Kunsthandwerk des Art nouveau haben wertvolle Spuren hinterlassen und führen die Besucher in die Zeit der „Idole de Nancy“ zurück.

Ein kunstvoll geschmiedetes und reich mit Gold verziertes Tor öffnet sich zur Place Stanislas, einem der schönsten Plätze der Welt. Prunkvolle Prachtbauten aus weißem Kalkstein umrahmen den gepflasterten und autofreien Platz im Zentrum von Nancy. Vor den Restaurants, Cafés und Bars, die den Platz großteils umgeben, spenden weiße Schirme angenehmen Schatten. Vor dieser einladenden und beeindruckenden Atmosphäre wartet die Führerin Christine Wetz, die Besuchern der Stadt eine andere, besondere Seite von Nancy zeigen möchte.

Das erste Ziel ist das Palais der Place Stanislas, wo das Museum der schönen Künste untergebracht ist. Es umfasst alle Kunstrichtungen in Europa vom 14. bis zum 21. Jahrhundert. Wetz bittet ins Untergeschoss, um am Beispiel der Kollektion Daum einen ersten Einblick in die „École de Nancy“, die Schule von Nancy zu geben. Die Wände sind mattschwarz. Nur die Steine der alten Befestigungsanlagen der Ville Vieille sind beleuchtet, denn genau hier stand früher die Stadtmauer. Die Wand öffnet sich und in einem großen, hohen Saal funkelt die Daum-Kollektion in den Vitrinen. Die schönsten und symbolträchtigsten Stücke sind chronologisch präsentiert.

Eine Frau mit Maske zeigt einer anderen Frau ein Gebäude in Nancy, Frankreich.

Christine Wetz (lnks) führt fachkundig durch die bezaubernde Stadt Nancy.

Christine Wetz (im Bild links) hat in Wien an der Akademie für Angewandte Kunst studiert, ist vor vielen Jahren nach Nancy gezogen und hat sich in das kulturelle Erbe dieser Stadt verliebt. Mit viel Freude, nach vielen Monaten der Corona-Krise wieder Gästen aus ihrer Heimat Nancys Schätze näherzubringen, zeigt sie anhand Dutzender Exponate die Entwicklung der Glaskunst, der Produktion einer der berühmtesten Kristallglasfabriken der Welt über einen Zeitraum von hundertfünfzig Jahren. Wie sich mit neuen Materialien und Techniken Formen und Farben entwickelt haben und so außergewöhnliche Kunstwerke der Daum-Glaswaren geschaffen werden konnten.

Enge Gassen, weite Plätze

Durch den Triumphbogen hindurch verlässt man die Place Stanislas, über einen Spaziergang durch die Allee der Place de la Carrière in Richtung Gouverneurspalast erreicht man auch die engen Gassen der mittelalterlichen Altstadt. Von Weitem schon ist Stimmengewirr und Gelächter zu hören. In der Rue de la Primatiale reihen sich Bars, Bistros und Restaurants dicht aneinander. Im Sommer stehen die Tische draußen und sind gut gefüllt. Spuren des Jugendstils liegen in Nancy eng beisammen und sind leicht zu Fuß erreichbar. So reihen sich aufwendig gestaltete Schaufenster von Boutiquen, die prächtige Glaskuppel der Bank Crédit Lyonnais und schöne Jugendstil-Fassaden wie Perlen einer Kette aneinander.

Drei Schmuckstücke

Ein großes, verziertes Haus im Jugendstil mit vielen Fenstern und einem markanten Giebel.

Villa Majorelle, erbaut 1901, war das Privathaus von Louis Majorelle, erfolgreicher  Kunstschmied und Industrieller, an der Gründung der  Schule von Nancy beteiligt. Das prächtige Panorama- fenster des Ateliers unter dem Dachgiebel der Jugendstilvilla erinnert an die Äste eines Baumes. Die fast vollständige Einrichtung gibt Einblicke ins Leben um 1900

Gäste sitzen in einem eleganten Restaurant mit üppiger Dekoration und warmem Licht.

Brasserie L’Excelsior  – ein Musterbeispiel des Jugendstils von Nancy. Der Art déco-Bau von Jean Prouvé wurde 1911 eingeweiht und glänzt mit wunderschöner Innen- dekoration: Kronleuchter von Majorelle/ Daum, Möbel von Majorelle, Buntgläser von Gruber. Diese Brasserie ist ein hervorragender Tipp für ein Abendessen. brasserie-excelsior-nancy.fr

Ein Paar geht über den Place Stanislas in Nancy.

Place Stanislas: In der Mitte prangt das Denkmal des Namensgebers, Stanislas Leszczynski, König von Polen und Herzog von Lothringen. Für seinen Schwiegersohn, Ludwig XV., ließ Stanislas dieses Ensemble im Zentrum von Nancy im 18. Jahrhundert bauen, umgeben von Rathaus, Oper, Grand Hôtel de la Reine und Museum der Schönen Künste

Das nächste Highlight liegt etwas außerhalb des Zentrums im Villenviertel: das Museum der Schule von Nancy. Es war ursprünglich das Privathaus des Mäzens Eugène Corbin, der Anfang des 20. Jahrhunderts großzügig die „École de Nancy“ förderte. Man betritt das Anwesen über einen parkähnlichen Garten, dessen Gestaltung unverändert blieb. Hier gedeihen Pflanzen, deren Elemente sich in den meisten Werken dieser Schule wiederfinden. Émile Gallé, ein studierter Botaniker, der führende Kopf der Bewegung, fand seine größte Inspirationsquelle in der Natur, insbesondere in der lokalen Pflanzenwelt. Ob Architektur, Mobiliar oder Glaskunst – Elemente der Natur wie Zweige, Blätter und Blüten sind immer gegenwärtig. Im Museum illustriert eine prächtige Glassammlung von Gallé die technischen Höchstleistungen des Meisters und die naturalistische Inspiration der Schule von Nancy.

Eine Frau betrachtet ein großes Buntglasfenster mit Pflanzen- und Vogelmotiven.

Christine verbindet immer wieder das gezeigte mit Episoden aus der Zeit der „École de Nancy“, zeigt alte Fotos und erfüllt damit die wunderbaren Eindrücke mit Leben. „Daum, Gallé, Architekten und Maler bildeten Handwerker auf höchstem Niveau aus, um im Wettstreit mit den Deutschen zu bestehen.“ Das Esszimmer, ein Werk Eugène Vallins, ist nahezu komplett, einmalig gestaltet ist auch das riesige Bett „Aube et crépuscule“ (Morgengrauen und Abenddämmerung) und eine prächtige, meterlange Glaswand mit Gartenmotiven von Jacques Gruber.

Ein kunstvoll geschnitztes Jugendstil-Bett mit einem rosa Überwurf in einem Schlafzimmer.

Ein Tag in Nancy endet oft auf der Place Stanislas, auf der abends reges Treiben herrscht. Von den Plätzen vor den Restaurants kann man die Schönheit der Architektur ringsum genießen. Der goldene Lichterglanz auf den Fassaden und Kunstschmiedearbeiten lassen den Platz majestätisch erscheinen und verwandelt ihn nachts zum echten Juwel.

Eine Karte, die Frankreich, Deutschland, Luxemburg und den Fluss Mosel zeigt. Ein roter Kreis markiert ein Gebiet in Frankreich.

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