Prost! Alles über den neuen Bier-Boom
"Mei Bier is net deppert!“ In diesem Satz des großen Wiener Philosophen Edmund Sackbauer steckt eine fundamentale Wahrheit, auch knapp 50 Jahre nach seiner Postulierung. Tatsächlich hätten ihn wohl schon die alten Ägypter vor 5.000 Jahren, die Babylonier, Assyrer und Hethiter unterschrieben. In Stein gemeißelt oder in Ton gebrannt.
Bier ist praktisch das älteste Kulturgetränk der Welt. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass unsere jagenden und sammelnden Steinzeitvorfahren Bier brauten, lange bevor sie Brot buken. Einige Prähistoriker sind sogar davon überzeugt, dass es das Bier war, dass uns überhaupt dazu brachte, sesshaft zu werden.
Die Altvorderen hatten übrigens einen recht lockeren Zugang zum Bier – da wurde quasi alles verbraut, dessen man habhaft werden konnte. Gerste natürlich, aber auch Weizen, Dinkel, Roggen, Reis und alle möglichen Kräuter, jeweils mit und ohne Honig oder anderen Zutaten zur Geschmacksintensivierung. Die bierernsten älteren Herren an den diversen Wirtshaus-Stammtischen des letzten Jahrhunderts hätten ob dieser verspielten Vielfalt wohl nur missmutig die Köpfe geschüttelt.
Aber die Zeiten, als Bier in einem muffeligen Eck verortet wurde und der schwere Schankgeruch Schlagwörtern wie „jung“, „prickelnd“, „chic“ oder auch „abenteuerlustig“ diametral entgegenstand, sind endgültig vorbei. Der Craft-Beer-Boom der vergangenen Jahre war weit mehr als eine bloße Modeerscheinung. Die jungen Braumeister sind gekommen, um zu bleiben – und mit ihnen eine Unzahl an neuen, frischen Biersorten, die es zu entdecken gilt.
Bier-Verwandtschaften
Nur: Wie sich zurechtfinden zwischen Pale Ale und Imperial Ale, Sauerbier und Pils, Stout und Barley Wine, Weißbier, Pils und Lager? „Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen ober- und untergärigen Bieren“, erklärt Johannes Kugler vom Wiener Craft-Beer-Label „Brew Age“. Zu den obergärigen zählt das auch hierzulande traditionell beliebte Weißbier, ebenso wie die deutschen Sorten Kölsch und Alt. Und beinahe sämtliche Biere von den Britischen Inseln, also sämtliche Ales und sogar die dunklen Stouts wie Guinness und Murphy’s. Wobei unterschiedliche Hefekulturen hier einen Unterschied ausmachen.
Bei untergärigen Bieren steigt die Hefe nicht an die Oberfläche, sondern sinkt ab. Das kann sie nur bei Temperaturen unter zehn Grad. Bevor moderne Kühltechnik erfunden wurde, also etwa bis März. Der Name „Märzen“ kommt daher, ebenso wie die Bezeichnung „Lager“, weil das Bier bei kühlen Temperaturen – etwa in den alten „Eiskellern“ – bis zum Herbst gelagert werden konnte. Dazu kommen die im deutschen Sprachraum gängigen Sorten „Helles“, „Pils“, „Dunkel“, Schwarzbier, Rotbier und Exportbier. In England werden heute ALLE untergärigen Biere „Lager“ genannt, wer den Film Trainspotting und den Hit „Born Slippy“ von Underworld kennt, kennt sich aus ...
Craft-Biere, also handwerklich hergestellte, hochwertige Biere, sind an sich schon im Trend, im Speziellen sieht Braumeister Johannes Kugler drei Schwerpunkte, die den Sommer 2020 bestimmen werden:
Trend1: leicht und bekömmlich
Alkoholfreie Biere sind im Massenmarkt die größten Gewinner, und auch bei den Bier-Manufakturen ist „ohne“ zunehmend Thema. Und „leicht“, dafür mit duftigen Hopfen-Aromen oder Wellness-Touch durch Hanf, Kombucha und Aloe Vera. Ebenfalls ein heißes Ding: „Sauerbier“. Allerdings nicht im deftigen belgischen Stil, der schon mal nach Pferdestall schmecken kann, sondern an die „Berliner Weisse“ angelehnt. Fruchtig, feinsäuerlich, erfrischend, meistens mit Beeren kombiniert. Von Stiegl gibt’s in dieser Kategorie neu die hübsche „Rosamunde“, Brew Age schickt diesen Frühling zum zweiten Mal den erfolgreichen „Fructusaurus“ ins Rennen. Und ja, mittlerweile gibt's sogar schon Profi-Bierverkoster auf YouTube:
Trend 2: alles "Ale"
Eigentlich schon ein Dauerbrenner, werden die obergärigen Hopfen-Perlen auch heuer ganz vorn dabei sein. Allerdings gilt hier neuerdings ebenfalls: leicht und easy. Die kräftigen „Imperial IPAs“ mit ihren gut 8 % Alkohol werden ihre Freunde behalten, aber die fruchtigen Pale Ales werden gehörig aufholen. Gibt’s von allen Craft-Bier-Manufakturen, aber mittlerweile auch von den großen Brauereien. Hier die Review eines österreichischen Ales durch einen britischen Experten:
Trend 3: Lager
Untergäriges Bier stellt den Großteil des Supermarkt-Sortiments. Als unfiltriertes „Zwickl“ begeistert es jetzt auch die Genießer, und die Craft-Bier-Brauer haben ihre Liebe zum malzig-klassischen „Wiener Lager“ entdeckt. Mit einem ebenfalls malzigen untergärigen Bier punkten die Salzburger von Gusswerk - ihr "Brotbier" wird aus Biobrotresten gebraut, die im Supermarkt übrig geblieben sind:
Gesundheit!
Erstaunlich: Bier gehört zu den größten Antioxidantienlieferanten in Getränken und schlägt in dieser Hinsicht sogar den vielgepriesenen Rotwein. Außerdem versorgt es uns mit den B-Vitaminen Riboflavin, Folsäure, Pantothensäure, Pyridoxin und Niacin, dazu Kalium, Magnesium, Selen und Silicium. Wenn man es nicht mit der Menge übertreibt, ist es also durchaus ein smartes Getränk für smarte Jungs. Und Mädels schon auch, obwohl die Statistik Bier doch eindeutig als Männergetränk ausweist. Während mehr als 60 Prozent der Frauen in einer Umfrage angaben, selten oder nie Bier zu trinken, sind nur etwa ein Viertel der Männer so enthaltsam. Und zum Abschluss noch einmal unser britischer Experte über ein österreichisches Bier. Einfach weil er das sooo mit Leib und Seele macht:
In diesem Sinne: Prost!
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