Ella Emhoff, Amanda Gorman und der Aufstieg der "Nodels"

Geburt eines Fashion-Stars: Ella Emhoff in Miu Miu auf dem Weg zur Vereidigung
Auf den ersten Laien-Blick hat sie wenig mit einem klassischen Topmodel gemeinsam: Ella Emhoff ist nicht überragend groß, präsentiert sich auf ihren Instagram-Selfies mit Achselhaaren, Nickelbrille und Naturlocken und macht kein Geheimnis aus ihrer Liebe zu bunten Gummischlapfen und Häkel-Höschen. Dennoch hat die 21-Jährige nach ihrem Auftritt bei der Amtseinführung von Stiefmama Kamala Harris einen Vertrag bei der renommierten Modelagentur IMG ergattert. „Ella strahlt eine Keckheit und Freude aus“, schwärmte Agentur-Boss Ivan Bart daraufhin in der New York Times und erklärte den unerwarteten Schritt so: „Es geht nicht mehr wirklich um Form, Größe oder Geschlecht. Ella steht für unsere moderne Welt.“
Eine moderne Welt, in die auch Amanda Gorman, 22, perfekt passt: Die afroamerikanische Lyrikerin, die am Inauguration Day mit gelbem Prada-Mantel und hoffnungsvoller Poesie aufgefallen war, hatte kurz vor Emhoff ebenfalls bei IMG unterschrieben. Im Netz wurden die beiden rasch zu den neuen Ikonen ihrer Generation erklärt – einer Generation, in der Modelmaße, Stupsnase und Traummähne à la Ivanka Trump längst nicht mehr alles sind.
Divers & authentisch
„Ella und Amanda sind zweifellos coole junge Frauen, mit Persönlichkeit und einem eigenen Look, physisch und modisch“, sagt Roberta Manganelli von der Wiener Agentur Stella Models. Sie kennt die Branche seit Jahrzehnten und weiß, wie sich die Ansprüche der Designer verändert haben. „Marken wie Gucci setzen in ihren Social-Media-Kampagnen – denn die sind wichtiger geworden als klassische Anzeigen – verstärkt auf moderne Frauen mit Charakter und Merkmalen, die nicht dem klassischen Modelbild entsprechen.“ Gefragt sei „immer mehr Außergewöhnliches, auch im Sinne von Diversity“.

Gelb steht für Hoffnung: Die junge Poetry Slammerin Amanda
Gorman im Prada-Look am Women’s Summit 2019
Ein Trend, der sich auch bei den Haute-Couture-Schauen im Jänner bemerkbar machte: Das junge New Yorker Label Area schickte das schwarze Plus-Size-Model Precious Lee im silbernen Glitzerkleid über den Laufsteg, Fendi setzte auf Frauen jenseits der fünfzig, darunter die Schauspielerin Demi Moore.
„Nodels“, also „Non-Models“, nennt die Branche den Trend zum Anti-Mannequin – und der ist nun sogar bei Heidi Klum und ihrer Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ angekommen.

Heidi Klum sucht wieder Topmodels – dieses Mal ganz ohne Körper-Normen
Gehörlose Modelkandidatin
Nachdem der 47-Jährigen jahrelang vorgeworfen war, Magerkörper zu glorifizieren und Jugendliche in Essstörungen zu treiben, ist in Staffel 16 (ab Donnerstag, 4. Februar auf ProSieben) alles anders. „Personality“ lautet die einzige Vorgabe, unter den 31 „Meeedchen“ findet sich eine Transfrau, eine Kandidatin unter 1,60, ein ehemaliges Flüchtlingskind und ein Plus-Size-Model. Auch die Altersgrenze wurde ausgemistet, wobei die älteste Kandidatin zarte 25 ist.
In Zukunft wünscht sich Klum noch mehr Diversität: „Models mit Behinderung sehen wir immer noch zu wenige“, klagte die Deutsche bei einer Pressekonferenz anlässlich des Staffelstarts. Die Teilnahme der gehörlosen Maria und der 20-jährigen Chanel, deren Körper mit Narben übersät ist, soll Offenheit signalisieren und in künftigen Staffeln mehr Mädchen mit vermeintlichem Handicap zum Casting locken.
IMG Models
Agentur mit Sitz in New York, zu der Karlie Kloss oder Bella Hadid zählen
Germany’s Next Topmodel
Ab 4. Februar läuft die neue Staffel – wegen Corona in Berlin statt L. A.
Ella Emhoff
Jahrgang 1999, studiert Textildesign in New York. Ihr Vater Doug ist seit 2014 mit Kamala Harris verheiratet
Die Bewegung in der Branche habe nach anfänglicher Skepsis auch Emhoff dazu bewogen, den Modelvertrag zu unterzeichnen, erzählte sie der New York Times. Die Aufmerksamkeit möchte sie nutzen, um ihre gestrickten Accessoires für den guten Zweck zu verkaufen und wichtige Themen wie Nachhaltigkeit anzusprechen. Models ohne Message? So was von last Season.
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