Wählerische Esser: Was Eltern tun können
„Das ess’ ich nicht“ – fast alle Eltern kennen diesen Satz. Bei manchen Kindern ist er nahezu immer zu hören, wenn sie beim Essen sitzen – sie verschmähen „alles, was grün ist“, lehnen Erbsenreis ab, weil sie die einzelnen Zutaten nur getrennt voneinander essen oder probieren Neues erst gar nicht. Wählerische Esserinnen und Esser können zu einer Herausforderung für Eltern werden. Sie geraten in einen Kreislauf, in dem es letztlich nur noch die Speisen gibt, die das Kind isst. Oft sind das Klassiker wie Spaghetti, Pizza, Fischstäbchen, die auf Dauer nicht gesund sind.
Antonia Pierer, Ernährungswissenschaftlerin mit Fokus auf Kinder, rät Eltern nicht aufzugeben.
„Kinder müssen ein Lebensmittel mehrmals probieren, bis sie es annehmen. Die Neugierde ist bei den meisten da – wird etwas öfter gekocht, ist die Chance höher, dass es doch einmal probiert wird.“
Bitter und herb
Vor allem Lebensmittel mit Bitterstoffen werden bei den ersten Malen abgelehnt, etwa Kohlsprossen und Artischocken. Ein Ursprung dafür liegt in unseren Genen. „In unserer DNA ist verankert, dass alles, was süß ist, tendenziell ungiftig ist, während bitter und herb auf Giftstoffe hinweisen und zu größerer Skepsis führen.“ Pierer beobachtet in ihrer Praxis zunehmend, dass Eltern sich wenig Zeit nehmen, zu Hause frisch zu kochen. Feste Zeiten und Rituale gibt es in vielen Familien nicht. „Häufig wird Essen bestellt oder Fertiggerichte kommen auf den Tisch. Sich Zeit zu nehmen, gemeinsam zu kochen, passt nicht mehr in unseren Zeitgeist, wo eher ‚to go‘ gegessen wird und zwischendurch statt zu bestimmten Zeiten.“ Viele Kinder mögen etwa Erbsen, Karotten und Brokkoli, weil sie diese Gemüsesorten häufig bekommen – ein Grund dafür: Sie sind oft in Tiefkühlmischungen enthalten. Als Rohkost werden Paprika, Gurken und Tomaten gut angenommen.
In der Beratung merkt sie, dass viele nicht mehr wissen, welches Obst und Gemüse gerade Saison hat. Ihre Kinder kennen etwa Kohlrabi und Kraut nicht mehr, in manchen Familien gibt es das ganze Jahr über süße Früchte wie Himbeeren. „Viele probieren eher Exotisches aus, wie Südfrüchte oder Sushi statt Fenchel oder Kohl. Wichtiger wäre aber Kindern den Jahreskreis näherzubringen, gemeinsam zum Markt zu gehen und zu schauen, welches Gemüse gerade Saison hat. Es muss nicht immer die große Vielfalt sein.“
Zusammen kochen
Der Besuch eines Marktes sei für Kinder ein Erlebnis, bei dem sie involviert werden, indem sie etwa Gemüse aussuchen dürfen. Gemeinsam kann ein Kürbis gekauft werden, der dann zu Hause zusammen verarbeitet wird. „Bei Kindern ist die Bereitschaft, etwas zu probieren, größer, wenn sie beteiligt sind. Zucchini ist für viele auf den ersten Blick eher uninteressant, wenn er aber gemeinsam zu einem Aufstrich verarbeitet wird und die Kinder selbst das Brot mit Rohkost verzieren, steigert das die Wahrscheinlichkeit, dass er gegessen wird.“ Natürlich hat nicht jeder immer Zeit, Brote mit Tiergesichtern zu verzieren – es gehe aber darum, mehr Bezug zum Essen herzustellen und es nicht nur als lästige Notwendigkeit zu sehen. „Eltern sollten sich die Mühe machen, sich mit den Kindern auseinanderzusetzen, sie zu animieren. Die Kinder profitieren langfristig und werden später mehr ausprobieren.“
Studie. Australische Wissenschafter verglichen 80 Untersuchungen zu wählerischem Essen.
Sie konnten zeigen, dass der Druck auf ein Kind beim Essen, das Anbieten von Belohnungen und eine sehr strenge Erziehung wählerisches Essen begünstigen.
Die Studie identifiziert sieben Tipps:
- Gehen Sie mit gutem Beispiel voran: Eine Familie, die zusammen isst, hat bessere Essgewohnheiten.
- Planen Sie regelmäßige Essenszeiten, sie reduzieren das Stressniveau.
- Beziehen Sie Kinder in die Zubereitung ein.
- Versuchen Sie, gemeinsam am selben Tisch und nicht getrennt voneinander zu essen.
- Schalten Sie den Fernseher ab: Konzentrieren Sie sich auf das Essen, nicht auf den Bildschirm.
- Versuchen Sie, die Mahlzeiten ruhig und stressfrei zu halten.
- Vermeiden Sie Belohnungen, Bestechung oder Strafen für wählerisches Essen.
Sinnvoll sei ein Wochenplan, der gemeinsam mit den Kindern erstellt wird. Das schone nicht nur die Geldbörse und helfe bei der Resteverwertung, sondern binde die Kinder mehr ein. „In den Schulen orientieren sich die Kinder sehr stark am Speiseplan und freuen sich dann auf bestimmte Tage. Es hilft auch zu Hause, wenn es heute vielleicht etwas gibt, das sie nicht so gerne essen, aber sie wissen, am nächsten Tag kommt ein Gericht, das sie gerne mögen“, rät Pierer. Wünsche sollten berücksichtigt, Unbeliebtes aber nicht komplett gestrichen werden.
Beim Essen selbst sind Ablenkungen wie Fernsehen tabu. Familien sollten sich bewusst Zeit füreinander nehmen. Schließlich habe Essen auch eine wichtige soziale Komponente.
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