Escândalo! In Brasilien erregte dieser Tage eine von Handwerkern gefertigte rote Riesen-Vulva mitten im grünen Gras eines Kunstparks die (konservativen, vorwiegend männlichen) Gemüter. 33 Meter lang, 16 Meter breit und sechs Meter tief ist das Monument aus Harz und Beton – designt von der feministischen Künstlerin Juliana Notari als Ansage gegen das vorherrschende phallozentrische Weltbild. Dem Ding – von Frau Notari „Diva“ getauft – solle man zügig einen gigantischen Penis entgegensetzen, meinte dazu Olavo de Carvalho, bekannter Verschwörungstheoretiker und esoterische Inspirationsquelle für den rechtsextremen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Und auch in den sozialen Medien wurde dazu heftigst diskutiert, so schrieb etwa ein Mann, dass ihm das Kunstwerk nicht besonders gefallen hat. Auch deshalb, weil er so gar nicht wüsste, was er sagen solle, würden ihn seine jungen Töchter fragen, was das ist.
Wie wär’s mit der Wahrheit? Naja, schwierig. Denn nach wie vor ist das weibliche Geschlecht irgendwie tabuisiert und mit vielen Klischees, vor allem aber falschen Bildern verknüpft. Die Vulva, gerne auch „da unten“ genannt, kommt sehr häufig als Nichts in Form eines „Lochs“ daher, in das etwas hineingehört. Häufig in eine Art Kindchenschema gepresst, meist in einem Atemzug mit Hygiene- und Menstruationsware bzw. medizinischen Befindlichkeiten genannt oder aber pornografisch präsentiert und entsprechend stilisiert. Das dann gerne in der Idealform: eng, rosafarben, frisch, glatt, geruchsarm und, was die Form der Labien betrifft, stromlinienförmig. Nicht umsonst boomt das Geschäft mit dem Schamlippen-Tuning.
Die Vulva, gerne auch „da unten“ genannt, kommt sehr häufig als Nichts in Form eines „Lochs“ daher, in das etwas hineingehört.
Vielfalt zwischen den Beinen
Doch vor allem junge Frauen haben all das satt und lassen sich dazu einen Gegenentwurf einfallen. Ihnen geht es um Diversität und eine klare Ansage gegen die Normierung der Vulva: Bühne frei für die „Vielfalt zwischen den Beinen“. Und zwar Scham-los. Ein spannendes Projekt dazu scheint mir etwa der Abreißkalender des Freiburger Kollektivs „Vulvaversity“ mit 365 unbearbeiteten Nahaufnahmen der äußeren weiblichen Geschlechtsteile (leider ausverkauft, es soll aber für 2022 ein neuer produziert werden). Gegenüber der Deutschen Presseagentur DPA meinte Indra Küster, eine der Macherinnen, dazu: „Wir halten uns für eine aufgeklärte Gesellschaft und wissen fast nichts über die Vulva.“ Viele Frauen seien nach wie vor unsicher, was das Aussehen ihres Geschlechts betrifft, manche schämen sich. Der Kalender soll zum Hinschauen verleiten – so wird wunderbar-weibliche Vielfalt sichtbar.
„Vulven-Vielfalt“ möchte auch „VulVinchen“ feiern – ein Unternehmen in Berlin, das von der Sexualpädagogin Agi Malach gegründet wurde. So wird mit Schmuck in Vulva-Form, Karten oder Stickern das Weibliche sichtbar. Malach setzt sich auch in eigenen Workshops für „geni(t)ale Vielfalt“ ein und dafür, dass das weibliche Geschlechtsorgan einen Namen hat: „Da unten ist definitiv zu wenig“, sagt sie. Jede Menge Inspiration zum Thema findet man übrigens auch bei „Etsy“, einer Plattform für handgemachte Produkte, Vintage und Künstlerbedarf. Da gibt’s Häferln mit handgemalten Vulven, Yoni-Wandkunst, Recycling-Gummi-Ohrringe in Vulva-Form, Viva-la-Vulva-Linoldrucke, Vulva-Keksausstecher ebenso wie „Eat-my-Pussy-Vulvaschokolade“. Der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Topaktuell und vermutlich gerade jetzt ein sehr spezielles Accessoire für Pandemiezeiten: von Hand gefertigte Stoff-Gesichtsmasken mit vielen bunten Vulven. Aufsetzen, hinschauen.
Kommentare