Die wichtigsten Vagina-Fakten aus ihrer „Bibel“:
Vulva? Vagina? Wie heißt's denn nun?
Was was ist, scheint nicht einmal den Machern der Netflix-Serie „Sex Education“ klar. Sonst wäre in der zweiten Staffel nicht so oft von Vagina die Rede gewesen, wo eigentlich die Vulva gemeint war. Jen Gunter erklärt das denkbar einfach: „Dort, wo die Haut die Unterwäsche berührt, liegt die Vulva, innen liegt die Vagina“.
Wunderknopf Klitoris?
Die Idee vom „Knubbel“, an dem man auf dem Weg zum Glück nur herumdrücken müsse, hält sich hartnäckig. Jen Gunters Antwort darauf: "Die Klitoris ist der einzige Körperteil, der allein für die sexuelle Lust geschaffen wurde. Strukturell betrachtet, ist sie wie ein umgekehrtes Y, mit je einem „Arm“ auf einer Seite. Nur die Spitze des Y ist zu sehen, der „Punkt“, die so genannte Klitoriseichel. Das umgekehrte Y sitzt über dem Eingang der Harnröhre, die Ärmchen („Klitorisschenkel“) liegen jeweils auf den beiden Seiten." Die Klitoris umfasst also weit mehr als sichtbar ist.
Vaginalverjüngung - alles nur ein Mythos?
Im Internet werden Stäbchen beworben, um die Vagina „enger“ zu machen. Gleichzeitig steigt das Interesse an Intimchirurgie, wie eine aktuelle Umfrage der Erotik-Community „JoyClub“ zeigt. Von 5000 Befragten haben 13,7 Prozent der Frauen (und 10,6 Prozent der Männer) schon einmal überlegt, ihren Intimbereich durch einen kosmetischen Eingriff zu optimieren. Jen Gunter bestätigt: "Korrekturen im Bereich der Vulva sind ein regelrechter Wachstumsmarkt. Viele der dort verwendeten Produkte und Verfahren sind nicht gut oder gar nicht näher erforscht.“ Begriffe wie „Verjüngung“ oder „Erneuerung“ hält sie, medizinisch betrachtet, für völlig abseitig. „Ich höre immer wieder, dass es Mütter gibt, die sich wegen der Größe der Schamlippen ihrer Tochter Gedanken machen. Ich kann nur raten, das sein zu lassen. Augenblicklich.“ Eine Schamlippenverkleinerung sollten nur Frauen vornehmen lassen, deren kleine Schamlippen breiter sind als fünf Zentimeter oder einen Größenunterschied von mehr als drei Zentimeter aufweisen und die damit optisch Probleme haben - oder aber Schmerzen, weil die Schamlippen eingeklemmt werden. Interessanter Punkt: "Chirurginnen empfehlen eine Schamlippenverkleinerung seltener als ihre männlichen Kollegen", so Gunter.
G-Shot, O-Shot
Zunächst zum G-Shot: Dahinter steht die Idee, sich mit Hilfe von Injektionen, die Hyaluronsäure oder Kollagen enthalten, den G-Punkt aufspritzen zu lassen. Jen Gunter räumt zunächst mit dem Mythos G-Punkt auf, den es aus ihrer Sicht gar nicht gibt (siehe weiter unten), vielmehr handle es sich um Ausläufer des Klitoris-Areals. Daher mache es auch keinen Sinn, irgendwas dorthin reinzuspritzen. "Der G-Shot ist vergleichbar mit dem Einspritzen von Isoliermasse, Die Vorstellung, dass sowas die Lust steigern soll, halte ich für biologisch sehr gewagt", meint sie. Beim O-Shot wiederum geht es darum, mit Hilfe von Eigenblut die Klitoris zu vergrößern: "Das ist so abgrundtief bekloppt, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll", schreibt Gunter dazu nur lapidar. Ausdrücklich warnt sie vor Stammzell-Injektionen fürs "Vulva-Upgrade" - weil es zu unkontrolliertem Zellwachstum und damit zu Krebs kommen kann.
Von wegen Jungfräulichkeit
Das Hymen kann durch körperliche Aktivität einreißen, bei 50 Prozent der weiblichen Teenager, die angeben, sexuell aktiv zu sein, ist es allerdings intakt. Es gibt also keinen verlässlichen Indikator für Jungfräulichkeit.
Alles im Fluss?
Viele Frauen denken, Scheidenausfluss sei krankhaft. Dazu die „Vagina-Bibel“: „Innerhalb eines Tage produziert die Vagina ungefähr ein bis drei Milliliter Ausfluss, auch vier Milliliter gelten als noch normal. Dieser Ausfluss besteht aus Absonderungen aus der Gebärmutter, der Drüsen am Vaginaleingang sowie aus Stoffwechselprodukten der guten Bakterien und abgestorbenen Hautzellen.“
Orgasmus: G-Punkt, vaginal?
„Nur ein Drittel aller Frauen können überhaupt einen Orgasmus durch die alleinige Penetration kommen. Keinen Orgasmus bei alleiniger Penisstimulation zu haben, ist also kein Fabrikationsfehler, sondern Serienausstattung“, so Jen Gunter. Zum magischen "G-Punkt“: „Es gibt diesen besonderen Punkt nicht, das empfindliche Gebiet im Scheideninneren gehört zum Klitoris-Komplex.“
Heiße Höschen, aber ungesund?
Oft heißt es, Frauen sollen weiße Baumwollunterhosen tragen, das schütze vor Infektionen mit Hefepilzen. Gunter: „Tragen Sie die Unterwäsche, die Ihnen gefällt und die richtig passt“. Es gäbe dazu schlecht gemachte Studien, die Polyesterunterwäsche und Feinstrumpfhosen mit Hefepilzinfektionen in Verbindung bringen – neue Studien mit besserer Qualität können aber keinen Zusammenhang zwischen Vaginalinfekt und Unterwäsche finden. Vielmehr geht es um Faktoren wie Reibung oder Feuchtigkeit.
Hygienefimmel
Sind parfümierte Sprays oder Tücher zur Pflege nötig? Laut Jen Gunter braucht es keine Extra-Pflege, viele Produkte würden Duftstoffe enthalten, die zu Hautreizungen und Allergien führen. Außerdem enthielten sie die versteckte negative Botschaft, dass Frauen vor ihren Gerüchten stets auf der Hut sein müssten. Eine Vaginalreinigung schädigt die guten Bakterien und die Schleimhaut, das erhöht wiederum das Risiko der Geruchsbildung, für bakterielle Scheidenentzündung und einer sexuell übertragbaren Infektion. Vaginales Dampfbaden ist schädlich, genauso wie Kräuterzusätze. Jen Gunter beruhigt: „Ihre Vagina ist wie ein Ofen mit Selbstreinigungsfunktion“. Die Paltrow’sche Empfehlung, die Vagina mittels Dampfbad zu reinigen, hält die für „einen ganz üblen Mythos“ und „Definitionsmerkmal des Patriarchats“, weil er die Idee der „unreinen Gebärmutter“ stützt.
Tipp:
„Die Vagina-Bibel, Vulva und Vagina – Mythos und Wirklichkeit“, Jen Gunter, Südwest-Verlag, € 20,60
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