Überraschend: So viele Priester-Anwärter gab es schon lange nicht

Die angehenden Priester bei der Priesterweihe im Oktober.
Im Wiener Priesterseminar freut man sich seit Herbst über 14 Neuzugänge – die Beweggründe und Hintergründe sind unterschiedlich.

14 Männer haben im Oktober in Wien die Ausbildung zum katholischen Priester begonnen – in den Jahren davor waren es deutlich unter zehn. Elf gehören zur Erzdiözese Wien, drei zu den Diözesen St. Pölten und Eisenstadt. Seit 2012 werden die drei Ostdiözesen in einer Ausbildungsstätte im neunten Bezirk zusammengefasst, wo nun in Summe 52 Seminaristen für das Priesteramt „fit“ gemacht werden.

Einer von ihnen ist der 25-jährige Niederösterreicher Matthias Ruzicka: Er habe sich für einen Eintritt ins Wiener Priesterseminar entschieden, weil die Biografien, Kulturen und persönlichen Glaubensgeschichten hier besonderes vielfältig seien. Etwa die Hälfte der Seminaristen sind Österreicher, die anderen kommen aus Deutschland, Polen, Rumänien, der Ukraine, Kroatien, Montenegro, Indien, Sri Lanka und Nigeria. Sie waren Chemiker, Beamte, Krankenpfleger oder Universitätsassistent und sind zwischen 20 und 76 Jahre alt, berichtet Subregens Markus Muth, stellvertretender Leiter der Ausbildungsgemeinschaft. Manche haben Erfahrung aus einem Orden, andere waren aus der Kirche ausgetreten, bevor sie eine persönliche Gotteserfahrung ins Priesterseminar führte.

Kein „Boom“

Ein gesamtgesellschaftlicher Trend respektive ein „Priester-Boom“ ließe sich davon aber noch nicht ableiten, sagt Muth. In anderen Diözesen sei die Zahl der Neuzugänge weiterhin auf einem niedrigen Niveau: „Das bereitet uns schon Sorgen.“ Als er selbst 1990 in das Seminar eintrat, gab es alleine in Wien an die 70 Priesteranwärter. Dennoch gebe es Grund für Optimismus: „2005 war in Wien der Tiefpunkt, seitdem hat sich die Zahl verdoppelt.“

Im Seminar ist man bemüht, mit der Zeit zu gehen, so wird etwa das Curriculum an gesellschaftliche Entwicklungen angepasst. Seit einigen Jahren lernen die Priester in spe, wie sie in der Seelsorge mit dem Thema Burn-out umgehen sollen. Oft sind es emotionale Hürden, die Männer davon abhalten, ins Seminar einzutreten, sagt Muth. „In der Gesellschaft gibt es viele Vorurteile, wenn jemand sagt, er möchte Priester werden. Oft hört man im Umfeld Sätze wie: ‚Aha, hat er sich leicht keine gefunden.’“ Auch mit dem Klischee, dass junge Priester besonders konservativ seien, möchte er aufräumen. Ein Seminarist komme im Gegensatz zu früheren Generationen oft nicht mehr aus dem klassisch kirchlichen Umfeld, sondern sei von einem individuellen Glaubensweg geprägt.

Was es braucht, um Priester zu werden? Das Gefühl, berufen zu sein, eine stabile psychische Gesundheit, Matura bzw. Studienberechtigung sowie die Bereitschaft, zölibatär zu leben. Im Gespräch merke man rasch, ob sich jemand berufen fühlt – oder bloß eine Beschäftigung sucht, sagt Muth. Für ihn ist es immer noch ein erstrebenswerter Beruf: „Wenn etwa Trost spenden nach einem Abschied gelingt, spürt man, warum es sich ausgezahlt hat, Priester zu werden.“ Jup

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